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23. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie e. V.

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie e. V.

15. - 17.09.2006, Heidelberg

M34T-Missense-Mutationen bei Connexin26-bedingter Schwerhörigkeit

Vortrag

  • corresponding author presenting/speaker Jörg Bohlender - Klinik für Audiologie und Phoniatire, Charité, Campus Benjamin Franklin, Berlin, Germany
  • author Maria Elisabeth Spormann-Lagodzinski - Klinik für Audiologie und Phoniatire, Charité, Campus Benjamin Franklin, Berlin, Germany
  • author Jochen Rosenfeld - Klinik für Audiologie und Phoniatire, Charité, Campus Benjamin Franklin, Berlin, Germany
  • author Manfred Gross - Klinik für Audiologie und Phoniatire, Charité, Campus Benjamin Franklin, Berlin, Germany

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie. 23. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie. Heidelberg, 15.-17.09.2006. Düsseldorf, Köln: German Medical Science; 2006. Doc06dgppV32

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Published: September 5, 2006

© 2006 Bohlender et al.
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Zusammenfassung

Mutationen im GJB2-Gen (Connexin26) sind eine der häufigsten Ursachen non-syndromaler Hörstörungen. Zur Abklärung einer Connexin26-bedingten Schwerhörigkeit gehört die molekulargenetische Analyse des Connexin26-Gens mittlerweile zum klinischen Standard. In Europa wird die 35delG-Mutation im GJB2-Gen mit circa 50% angegeben. Die Interpretation der Ergebnisse des Connexin26-Mutationsscreenings wird jedoch durch Allelvarianten unbekannter Signifikanz erschwert. Unter diesen befindet sich die häufig auftretende M34T-Missense-Mutation. Für die M34T Allelvarianten sind die Angaben in der Literatur in Bezug auf Hörstörungen widersprüchlich. So wird u. a. die kombinierte M34T/35delG-Mutation bisher nicht eindeutig als Ursache einer manifesten Hörstörung verstanden. Beim Mutationsscreening des GJB2-Gens waren von 604 Patienten der Klinik für Audiologie und Phoniatrie und des Deutschen Zentralregisters für kindliche Hörstörungen 5 compound heterozygot für 35delG/M34T, 4 heterozygot für M34T und 2 compound heterozygot für 30delG/M34T. Die mit der M34T-Missense-Mutation einhergehenden Hörstörungen unterschiedlichster Ausprägung reflektieren möglicherweise einen Dominant-Negativ-Effekt, der in der neuesten Literatur als Ursache der Hörstörung vermutet wird.


Text

Methode und Patientengut

Bei 604 Patienten mit Hörstörungen der Klinik für Audiologie und Phoniatrie und des Deutschen Zentralregisters für kindliche Hörstörungen wurde ein Screening auf GJB2-Mutationen durchgeführt. Das Tonschwellenaudiogramm oder die Ergebnisse der Hirnstammaudiometrie wurden für die Einteilung nach Schweregrad der Hörstörungen herangezogen. Die DNA-Extraktion erfolgte aus EDTA-Blut oder aus einem Wangenschleimhautabstrich. Die kodierende Sequenz des GJB2-Gens wurde amplifiziert und im Anschluß erfolgte eine direkte Sequenzierung des PCR-Produkts zur Identifizierung einer Mutation.

Ergebnisse

Mit der oben beschriebenen Methode fanden sich bei 11 von 604 Patienten mit sensorineuralen Hörstörungen M34T-Missense-Mutationen. Unter diesen befanden sich 5 compound heterozygot für 35delG/M34T, 4 heterozygot für M34T und 2 compound heterozygot für 30delG/M34T. Der Grad der Hörstörung zeigte bei n=6 eine leichte Innenohrschwerhörigkeit, bei n=4 eine mittelgradige Innenohrschwerhörigkeit und bei n=1 eine hochgradige Schwerhörigkeit. Für die Gruppe der 35delG/M34T Patienten imponierte eine leichte Schwerhörigkeit bei 3 Betroffenen und eine mittelgradige Schwerhörigkeit bei 2 Patienten. Die Gruppe der M34T Heterozygoten war durch eine Asymmetrie (an Taubheit grenzend und hochgradige Schwerhörigkeit) und jeweils 2 leicht- und mittelgradige Hörstörungen charakterisiert. Die beiden Patienten mit einer compound Heterozygotie für 30delG/M34 zeigten eine leichtgradige Hörminderung.

Diskussion

Die Missense-Mutation M34T, die durch den Austausch der Aminosäure Methionin (M) an der Position 34 durch Threonin (T) charakterisiert wird, stellt eine kontrovers diskutierte Mutation nicht-syndromaler sensorineuraler Hörstörung dar. Die M34T-Sequenzvariante wird als Polymorphismus, der sowohl bei Hörgesunden als auch bei klinisch manifesten Hörstörungen mit ca 2% auftritt, oder als Part eines autosomal-dominanten oder autosomal-rezessiven Erbgangs aufgefasst. Die Schwierigkeit der Interpretation der Ergebnisse zeigt sich in der Gegenüberstellung von Phänotyp und Genotyp. Die bisherige Annahme, dass beispielsweise die häufig auftretende homozygote 35delG-Mutation zu einer schwerwiegenden Hörminderung führt, ist nur in 90% nachweisbar. Es werden auch bei den M34T Mutationen andere, noch nicht gänzlich geklärte Einflussfaktoren (u.a. Dominant-Negativ-Effekt) angenommen, die zu einem unterschiedlichen Ausprägungsgrad der Hörstörung führen. Bei 5 der untersuchten Patienten mit Hörstörung fand sich eine compound Heterozygotie für 35delG/M34T. Bei der Co-Expression mit 35delG wird eine Phänotyp-Genotyp Assoziation mit einer überwiegend leichten bis mittelgradigen Hörstörung in der aktuellen Literatur [1] ermittelt. Im Vergleich zu den angegebenen und gemittelten Hörverlusten (500, 1000 und 2000 Hz) fand sich bis auf einen asymmetrischen Hörverlauf ebenfalls eine leichte bis mittelgradige Hörminderung. Insgesamt wird der überwiegend leichte bis mittelgradige Hörverlust als reduzierte Penetranz der M34T Mutation verstanden, der nicht als Polymorphismus erklärt werden kann. Die Interpretation der Testergebnisse muss jedoch durch den Wegfall der Frequenzen ab 2000 Hz kritisch betrachtet werden.


Literatur

1.
Snoeckx RL et al. GJB2 Mutations and Degree of Hearing Loss: A Multicenter Study. Am J Hum Genet. 2005;77:945-57.
2.
Palmada M et al. Loss of function mutations of the GJB2 gene detected in patients with DFNB1-associated hearing impairment. Neurobiol Dis. 2006;22(1):112-8.