gms | German Medical Science

GMS Medizin — Bibliothek — Information.

Arbeitsgemeinschaft für Medizinisches Bibliothekswesen (AGMB)

ISSN 1865-066X

Forschungsnahe Dienstleistungen in den Bibliotheken der Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft Evidenzbasierte Medizin (AG-EBM) der AGMB

Research-related services in the libraries of the members of the working group on evidence-based medicine (AG-EBM) within AGMB

Case Report Forschungsnahe Dienste

  • corresponding author Lorena Cascant Ortolano - Johannes Gutenberg Universität Mainz, Universitätsbibliothek, Bereichsbibliothek Universitätsmedizin, Mainz, Deutschland
  • Sabine Buroh - Universitätsklinikum Freiburg, Bibliotheksteam Medizinische Fakultät, Freiburg, Deutschland
  • Marc von Gernler - Universität Bern, Universitätsbibliothek, Bibliothek Medizin, Bern, Schweiz
  • Evamaria Krause - Universität Augsburg, Universitätsbibliothek, Teilbibliothek Medizin, Augsburg, Deutschland
  • Sonja Härkönen - Universität Augsburg, Universitätsbibliothek, Referat Open Access und Publizieren, Augsburg, Deutschland
  • Hannah Ewald - Universität Basel, Universitätsbibliothek, UB Medizin, Basel, Schweiz

GMS Med Bibl Inf 2023;23(1):Doc12

doi: 10.3205/mbi000562, urn:nbn:de:0183-mbi0005624

Veröffentlicht: 13. September 2023

© 2023 Cascant Ortolano et al.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Zusammenfassung

Im Frühling 2023 wurde eine Online-Umfrage unter allen Mitgliedern der Arbeitsgruppe Evidenzbasierte Medizin (AG-EBM) der Arbeitsgemeinschaft für Medizinisches Bibliothekswesen e.V. (AGMB) durchgeführt. Das Ziel dieser Umfrage war es, einen Überblick über das Angebot forschungsnaher Dienstleistungen an unseren Bibliotheken zu geben. Neben den Ergebnissen der Umfrage präsentieren wir einige Case Reports mit Beispielen. Die 17 Punkte umfassende Umfrage beinhaltete offene Fragen, die es den Umfrageteilnehmer*innen ermöglichten, ihre Situation besser zu beschreiben. Insgesamt haben 21 Bibliothekar*innen an der Befragung teilgenommen. Die von den Mitgliedern der AG-EBM angebotenen forschungsunterstützenden Dienstleistungen konzentrieren sich auf systematische Literaturrecherche, Literaturverwaltung und Open Access.

Schlüsselwörter: Umfrage, Medizinbibliothek, Dienstleistung, forschungsnahe Dienste, Forschungsunterstützung

Abstract

In Spring 2023 an online survey was realized among all medical librarian members of the working group on evidence-based medicine (AG-EBM) within the German Medical Library Association (AGMB). The focus of this survey was to characterize the services that medical librarians offer to provide library services for research. The 17-item survey also included open-ended questions, which allowed survey participants to better describe their situation. The results were complemented with case reports with illustrative examples. The survey was completed by 21 librarians. The research support services offered by the members of the AG-EBM focus on systematic literature research, literature management and open access.

Keywords: survey, medical libraries, services, research support


Einleitung

In dem Maße, in dem im Informationszeitalter die Menge an verfügbaren Informationen zunimmt, gewinnt die Unterstützung von Forschungsgruppen in Form von professioneller Beratung und maßgeschneiderter forschungsnaher Dienstleistungen zunehmend an Bedeutung [1], [2]. Die Anzahl neuer Publikationen nimmt exponentiell zu und Datenbanken und Wissensplattformen entwickeln und verändern sich. Im Bereich der Evidenzsynthese werden deshalb Leitlinien zur Durchführung von Evidenzsynthesen immer wieder neu erstellt und den Gegebenheiten angepasst, um eine hohe Qualität und Verlässlichkeit der gewonnenen Erkenntnisse angesichts der Datenflut zu gewährleisten. Die systematische Suche nach Informationen ist daher in der notwendigen Qualität nicht mehr ohne spezialisierte Unterstützung zu bewältigen.

Doch nicht nur die Menge an textuellen Publikationen steigt. Ebenso kommen neue Publikationsformen hinzu und im Sinne von Open Science werden zunehmend den Forschungsergebnissen zugrunde liegende Daten und Methoden veröffentlicht. Nicht zuletzt schwingt bei all diesen Entwicklungen die Frage mit, wie der freie Zugang zu wissenschaftlichen Erkenntnissen langfristig und ohne Bezahlschranken gewährleistet werden kann.

Insbesondere wissenschaftliche Bibliotheken befinden sich deshalb im Wandel, um der Nachfrage an Forschungsunterstützung mit neuen Serviceangeboten zu begegnen.

Um die Leser*innen zu informieren und zu inspirieren, soll dieser Aufsatz Einblicke in Angebote für Forschungsunterstützung geben, die bereits an Bibliotheken aus den Reihen der Arbeitsgruppe Evidenzbasierte Medizin (AG-EBM) existieren.


Methoden

Instrumente und Studiendesign

Um einen Überblick über forschungsbezogene Dienstleistungen in den Bibliotheken der Mitglieder der AG-EBM zu erhalten, wurde eine Umfrage durchgeführt. Die Ergebnisse dieser Umfrage werden durch einige Case Reports von Mitgliedern der AG-EBM ergänzt, die einige dieser Dienste veranschaulichen.

Um die Art der forschungsnahen Dienstleistungen zu charakterisieren, die medizinische Bibliothekar*innen im Rahmen von Forschungsunterstützung anbieten, verwendeten wir eine webbasierte Umfrage, die in LimeSurvey (Version 5.2.6) entworfen wurde. Der 17 Punkte umfassende Fragebogen umfasste 13 obligatorische Fragen zum institutionellen Kontext, zu den angebotenen Dienstleistungen und deren Nutzung, sowie fünf fakultative Fragen zur Entstehung dieser Dienstleistungen, zur Kooperation mit Forschenden bei der Entwicklung der Dienstleistungen, zur Kompetenzentwicklung des Bibliothekspersonals und zu verwendeter Software zur Forschungsunterstützung (Anhang 1 [Anh. 1]).

Auswahl und Anwerbung der Population

Die Umfrage wurde vom 15. bis 26. Mai 2023 durchgeführt. Eine Einladungs-E-Mail mit einem Link zur webbasierten Umfrage wurde am 15. Mai 2023 über die E-Mail-Liste der AG-EBM an 78 potenzielle Teilnehmer*innen verschickt. Eine Erinnerungs-E-Mail wurde am 22. Mai 2023, drei Tage vor Ende der Umfrage, über dieselbe Liste versendet.

Analyse

Insgesamt haben 21 Bibliothekar*innen an der Befragung teilgenommen, von denen acht den optionalen zweiten Teil mit offenen Fragen beantwortet haben. Die deskriptive Statistik der Antworten wurde mit LimeSurvey (Version 5.2.6) und Excel erstellt. Die offenen Fragen wurden kategorisiert und analysiert.


Ergebnisse der Umfrage

An der Umfrage haben 21 von 78 Bibliothekar*innen teilgenommen. Die meisten von ihnen arbeiten in Universitätsbibliotheken (inkl. medizinischer Fakultäten) bzw. Universitätskliniken (57%) und einige in Forschungseinrichtungen (7%). Es handelt sich um Bibliotheken, deren Hauptnutzende Ärzt*innen und Studierende der Medizin/Zahnmedizin/Tiermedizin sind, gefolgt von Forschenden. Es ist anzumerken, dass die Bibliotheken auch für Pflegekräfte und Gesundheitsfachberufe sowie für Studierende/Auszubildende in diesem Bereich zur Verfügung stehen.

Dienstleistungen für Forschende

Ausgangspunkt unserer Umfrage zu den Dienstleistungen für Forschende war der von einigen Mitgliedern der AG-EBM im Jahr 2020 veröffentlichte Artikel über Medizinbibliotheken in Deutschland [3]. Die darin beschriebenen Dienstleistungen haben wir gesichtet, leicht angepasst und so die folgenden acht forschungsrelevanten Dienste für unsere Umfrage identifiziert: Open Access, Forschungsdatenmanagement, systematische Literaturrecherche, wissenschaftliches Schreiben, Literaturverwaltung, Evidenzsyntheseprogramme, Erfassung von Publikationen/Hochschulbibliografie und Open-Access-Zweitveröffentlichungsservice.

Die drei Dienstleistungen für Forschende, die von den meisten Mitgliedsbibliotheken der AG-EBM angeboten werden, sind systematische Literaturrecherche, Literaturverwaltung und Open Access. Fast die Hälfte der Mitgliedsbibliotheken bietet den Service der Erfassung von Publikationen und/oder das Anlegen einer Hochschulbibliografie an. Die anderen Dienstleistungen werden nur von einem Drittel angeboten (Abbildung 1 [Abb. 1]).

Spezifische Dienstleistungen

Um einen detaillierteren Überblick über die angebotenen Dienstleistungen zu erhalten, wurden die Teilnehmenden gebeten mitzuteilen, welche spezifischen Dienstleistungen sie anbieten. Insbesondere sollten sie angeben, ob sie Beratungs- oder Unterstützungsgespräche, Kurse oder Vorlesungen, die Erstellung und/oder Unterhaltung von Informationsmaterialien (z.B. LibGuides, Wikis, o.ä.), E-Learning-Inhalte zum Selbststudium on demand (z.B. Skripte, Videos, Online-Kurse) oder Auftragsarbeiten anbieten (Abbildung 2 [Abb. 2]).

Beratung oder Unterstützung ist eine der wichtigsten und am weitesten verbreiteten spezifischen Dienstleistungen unter den forschungsbezogenen Diensten in medizinischen Bibliotheken. Nur in einem Bereich, dem des wissenschaftlichen Schreibens, steht Beratung oder Unterstützung erst an zweiter Stelle.

Kurse oder Vorlesungen sind eine weitere Dienstleistung, die angeboten wird – insbesondere zu den Themen Literaturverwaltungssoftware, Literaturrecherche und Open Access.

Die Erstellung und/oder Bereitstellung und Pflege von Informationsmaterialien (z.B. LibGuide, Wikis) ergänzt das Angebot und ist ebenfalls weit verbreitet, allerdings im Bereich Forschungsdatenmanagement und Open Access stärker ausgeprägt als bei den anderen spezifischen Angeboten.

E-Learning-Inhalte zum Selbststudium on demand (Skripte, Videos, Online-Kurse) werden bei den Dienstleistungen weniger angeboten – mit Ausnahme von Literaturverwaltung und wissenschaftlichem Schreiben, die beide eine größere Rolle spielen.

Auftragsarbeit wird am häufigsten bei der systematischen Literaturrecherche, der Erstellung von Publikationen oder Hochschulbibliografien, beim Forschungsdatenmanagement und bei Open Access-relevanten Themen angeboten.

Am wenigsten Dienstleistungen werden im Bereich der Evidenzsyntheseprogramme (z.B. Covidence, Rayyan, DistillerSR, PICO-Portal) angeboten. Hier konzentriert man sich vor allem auf die Beratung. Demgegenüber ist das Angebot in den Bereichen Systematische Literaturrecherche und Literaturverwaltungssoftware umfassender und vielfältiger.

Nutzung

Die Befragten wurden gebeten, die Nutzung der von ihnen angebotenen Dienste auf einer Skala von 1 „sehr häufig“ bis 5 „nie“ zu bewerten.

Nur die Nutzung der Dienste im Zusammenhang mit Open Access (1,9) liegt zwischen „sehr häufig“ und „häufig“. Die Nutzung der anderen Dienste liegt mit leichten Abstufungen zwischen „häufig“ und „gelegentlich“. Die Dienste Systematische Literaturrecherche (2), Literaturverwaltung (2,1), Forschungsdatenmanagement (2,3) und Publikationserfassung/Hochschulbibliographie (2,4) wurden als etwas häufiger genutzt genannt. Die Dienste Wissenschaftliches Schreiben (2,5), Open-Access-Zweitveröffentlichungsservice (2,7) und Evidenzsyntheseprogramme (2,8) gelten dagegen als eher „gelegentlich“ genutzt (Abbildung 3 [Abb. 3]).

Entstehung, Kooperation, Kompetenzentwicklung und Software

Der optionale zweite Teil der Umfrage stützte sich auf den „Call for Papers“ von GMS Medizin – Bibliothek – Information (GMS MBI) für das Sonderheft „Forschungsbezogene Dienstleistungen von (medizinischen) Bibliothekaren“ [4]. Die Fragen bezogen sich auf die Entstehung dieser Dienstleistungen, die Zusammenarbeit mit Forscher*innen bei der Entwicklung der Dienstleistungen, die Kompetenzentwicklung der Bibliothekar*innen und die eingesetzte Software zur Unterstützung von Forschung.

Mit offenen Fragen wurde versucht herausfinden, welche Erfahrungen mit Dienstleistungen für Forscher*innen gemacht wurden. Von den 21 Personen, die an der Umfrage teilnahmen, hatten 8 Zeit, die zusätzlichen Fragen zu beantworten.

Auftragsklärung

Auf die Frage, wie sie den Bedarf an forschungsbezogenen Dienstleistungen in ihren Einrichtungen ermittelt haben, entschieden sich alle Bibliotheken – mit Ausnahme derer, die bereits als „eingebettete Bibliotheken“ über solche Dienstleistungsangebote verfügen – dafür, proaktiv zu handeln und auf die wachsenden Bedürfnisse ihrer Nutzer*innen zu reagieren:

  • Durch Nutzen von offiziellen bis hin zu informellen Kontakten: „Ergibt sich im direkten Kontakt einerseits mit der Hochschulleitung, andererseits mit den Nutzern, meist aufgrund von konkreten Anfragen.“
  • Durch den Einsatz verschiedener Tools: Nutzendenbefragungen, Fokusgruppeninterviews, Zusammenarbeit mit Fachgesellschaften, Zusammenarbeit mit einzelnen Forschungsgruppen, Webstatistik, Anfragen an Infocenter oder andere Beratungsstellen.
Kooperationen mit Forschenden

Bei der Konzeption oder Umsetzung von Dienstleistungsangeboten für die Zielgruppe Forschende ist es hilfreich zu wissen, wie diese Kooperation in den Bibliotheken konkret zu Stande kam. Interessanterweise gibt es dabei zwei Möglichkeiten. Einerseits die passive, bei der die Kooperationen durch Empfehlungen zustande kommen oder weil das Forschungspersonal die Bibliothek von sich aus kontaktiert: „Die Kooperation mit den Forschenden in Bereich Evidenzsynthese kommt überwiegend durch persönliche Empfehlung zustande. Es spricht sich herum, ohne dass wir viel Werbung machen. Die Forschenden nehmen daraufhin Kontakt mit uns auf und es gibt auch schon Stammkundschaft.“

Zum anderen die proaktive, bei der die Bibliothek an Veranstaltungen (z.B. Open-Access-Woche) teilnimmt oder bestimmte Aufgaben übernimmt: Beteiligung an und Leitung von NFDI-Konsortien, Anfragen von Forschenden/Fachgesellschaften/Forschungsinstitutionen/Bibliotheken, Beteiligung an Drittmittelanträgen.

Kompetenzentwicklung

Neue Dienstleistungen erfordern neue Kompetenzen. Daher ist es interessant zu sehen, wie die Qualifikation des Bibliothekspersonals entwickelt und sichergestellt wurde. Kontinuierliche externe und interne Fortbildung ist im Bereich Dienstleistungen für Forschende entscheidend. Der Besuch von Kongressen, der Austausch in Fachgruppen usw. sind die am häufigsten genannten Methoden für Kompetenzerwerb: Weiterbildung, Data Librarian Zertifikatskurs, Training on the Job, Gremienarbeit, fachbezogene Workshops/Tagungen/Veranstaltungen, Beteiligung an Arbeitsgruppen, Fachliteratur.

Software zur Forschungsunterstützung

Zur Forschungsunterstützung können zahlreiche Programme eingesetzt werden. Es wurde erfragt, welche Software angeboten wird, unter welchen Lizenzmodellen die Software genutzt wird und ob Open-Source-Software eingesetzt wird.

Das Angebot an Software ist sehr unterschiedlich. Einige Bibliotheken bieten Zugang zu spezieller kostenpflichtiger Software über zahlenmäßig begrenzte Lizenzen, wie Covidence (Screening- und Extraktions-Tool), Deduklick (Deduplizierungstool) und BioRender (Verwaltung wissenschaftlicher Bilder und Diagramme) an. Andere verwenden Open-Source-Software, insbesondere RDMO (Datenmanagementpläne). Wieder andere haben ein breiter gefächertes Angebot: EndNote (Literaturverwaltung, Screening), Rayyan (Extraktion), SciFlow (Schreiben) und ihr Universitätsrepositorium (Forschungsoutput).

„Unser Team hat seit diesem Jahr probeweise eine limitierte Lizenz von Covidence, die wir für unsere Projekte verwenden können. Außerdem hat unser Team eine limitierte Lizenz für Deduklick, um Deduplizierungen schnell und reproduzierbar durchzuführen“.


Case Reports

Die Umfrageergebnisse werden durch drei Case Reports von Mitgliedern der AG-EBM ergänzt, die einige der dort genannten Dienste näher veranschaulichen. Einer handelt von der Erfassung von Publikationen für die Hochschulbibliografie und dem Zweitveröffentlichungsservice an der Universitätsbibliothek Augsburg und zwei befassen sich mit den Systematic Review Services der Universitätsbibliothek Basel und der Universitätsbibliothek Bern.

Erfassung von Publikationen für die Hochschulbibliografie und Zweitveröffentlichungsservice an der UB Augsburg, Teilbibliothek Medizin

In der Universitätsbibliothek Augsburg (UBA) erfassen wir die Publikationen aller Universitätsangehörigen auf dem Publikationsserver OPUS Augsburg (https://opus.bibliothek.uni-augsburg.de). Um den freien Zugang im Sinne des Open Access zu unterstützen, bieten wir Wissenschaftler*innen ergänzend einen Zweitveröffentlichungsservice an. Die Publikationslisten samt Links zu den bereitgestellten Volltexten können über ein Plugin in die Webseiten der Universität eingebunden werden, sowohl für einzelne Personen als auch für Einheiten wie Lehrstühle, Forschungsgruppen oder Projekte. Das Plugin [5] entwickelte die UBA zusammen mit dem Rechenzentrum und einem Professor aus der Physik. Für Wissenschaftler*innen genügt die formlose Meldung neuer Publikationen an die UB, alle weiteren Schritte werden von Bibliotheksmitarbeiter*innen übernommen.

Der Service entstand in den Jahren 2018–2019 vor dem Hintergrund der wissenschaftspolitischen Rahmenbedingungen und der Ausgangslage an der Universität Augsburg. Obwohl Forschungsförderer zunehmend die Veröffentlichung im Open Access befürworten, wenn nicht fordern, gab es an der Universität keinen Publikationsfonds, um Open-Access-Veröffentlichungen zu finanzieren. (Seit Oktober 2022 besteht an der Universität Augsburg nun das Pilotprojekt „Publikationsförderung im Bereich Open Access” [6]). An der UBA gab es nicht zuletzt durch Nachfragen von Forschenden und die zunehmende Bedeutung von Transformationsverträgen jedoch Handlungsbedarf, sodass im Jahr 2020 das Referat Open Access und Publizieren als Teil der Abteilung Medienbearbeitung gegründet wurde. Die hauptverantwortliche Kollegin brachte in den gesamten Prozess zahlreiche Erfahrungen aus einer vorangegangenen langjährigen Tätigkeit in bibliothekarischen Open-Access-Services in Großbritannien ein.

Für die neue Medizinische Fakultät bieten wir den Professor*innen und wissenschaftlichen Mitarbeiter*innen die Publikationserfassung und den Zweitveröffentlichungsservice selbstverständlich ebenfalls an. Die Teilbibliothek Medizin stellt für den zusätzlichen Aufwand Personal im Umfang von ca. 0,75 Vollzeitäquivalenten im mittleren Bibliotheksdienst sowie zusätzlich Arbeitsstunden von studentischen Hilfskräften in variierendem Umfang zur Verfügung. Für die Kooperationskliniken ergeben sich einige Besonderheiten: Hier erfassen wir Publikationen standardmäßig erst ab dem Jahr 2019. Vollständige Publikationslisten legen wir jedoch auf Wunsch auch hier für einzelne Personen an. Das Publikationslisten-Plugin ist lediglich für die universitären Webseiten der klinischen Lehrstühle und Professuren nutzbar, nicht aber für die Webseiten der Kliniken, die eine andere CMS-Software für ihren Internetauftritt nutzen. Auf den Webseiten der Kliniken kommen daher stattdessen andere Lösungen zum Einsatz, von manuell als Text gepflegten Publikationslisten über Links zu externen Angeboten wie PubMed oder OPUS Augsburg.

Die praktische Umsetzung des Service für die Universitätsmedizin wird größtenteils durch Mitarbeiterinnen und studentische Hilfskräfte der Teilbibliothek Medizin übernommen, die dabei eng mit dem Referat Open Access und Publizieren zusammenarbeiten. Anfallende Tätigkeiten beinhalten z.B. die regelmäßige Auswertung von Alerts zu neuen Publikationen über PubMed und Web of Science, das Einpflegen von Publikationen in OPUS (überwiegend über einen teilautomatisierten DOI-Import), die Überprüfung von bibliografischen Angaben zu Publikationen und die Zuweisung mittels Tags zu den beteiligten Personen und Organisationseinheiten. Nach einem standardisierten Verfahren werden dann in einer Excel-Datei Angaben für den Zweitveröffentlichungsservice ergänzt, beispielsweise aus Sherpa Romeo, Transformationsverträgen der Universität oder Verlagsinformationen. Die fertige Übersicht wird an die*den Forschende*n gesendet und die Einwilligung zur Zweitveröffentlichung erbeten. Die Volltexte werden mit einer URN versehen und zur Langzeitarchivierung an die Deutsche Nationalbibliothek geliefert, sie sind über Suchmaschinen wie BASE auffindbar. Für diese Workflows können die vorhandenen Kenntnisse und Kompetenzen zur Erfassung von und Recherche nach bibliografischen Angaben gewinnbringend eingebracht werden. Von Vorteil ist auch, dass den Mitarbeiterinnen der Teilbibliothek Medizin die Organisationseinheiten der Universitätsmedizin vertraut sind.

Das Referat Open Access und Publizieren übernimmt die mehrstufige Anlernung und Einarbeitung der Mitarbeiterinnen der Teilbibliothek Medizin für die genannten Workflows. Grundlegende Absprachen und detaillierte Arbeitsabläufe mit Schritt-für-Schritt-Anleitungen sind im internen Wiki-Handbuch dokumentiert. Auch der aktuelle Arbeitsstand zu einzelnen Publikationslisten sowie die Zuweisung von Arbeitsaufträgen werden dort organisiert und dokumentiert. Die Zeitersparnis durch unsere RFID-Selbstverbuchung ermöglicht die Durchführung eines Teils der Aufgaben als Hintergrundarbeit an den Theken, beispielsweise gut abgrenzbare Schritte wie das initiale Einpflegen der Publikationen in OPUS.

Der Service wird über diverse Kanäle beworben: In Begrüßungsgesprächen der Fachreferentin mit neuen Professor*innen, in Bibliotheksvorstellungen in Kliniken und Arbeitsgruppen, in gemeinsamen Veranstaltungen zu Forschungsdatenmanagement und Open Access, in Open Science Coffee Lectures sowie über Werbematerialien der Teilbibliothek Medizin und des Referats Open Access und Publizieren. Die Medizinische Fakultät weist zudem in ihrer Affiliationsrichtlinie darauf hin, neue Publikationen an die UBA zu melden. Auch die Betreuenden der Webseiten der Medizinischen Fakultät machen neue Professor*innen auf das Publikationslisten-Plugin aufmerksam. Insgesamt konnten so bisher (Stand 08.06.2023) 10.017 Publikationen der Universitätsmedizin in OPUS Augsburg erfasst werden, davon 8.990 wissenschaftliche Artikel, von denen wiederum bisher 3.910 im Volltext zugänglich sind (43,5%). Gleichzeitig wird die UBA durch den Service als kompetente Ansprechpartnerin für Infrastrukturen im Publikationsprozess wahrgenommen und von der Medizinischen Fakultät beispielsweise zu Überlegungen zu Systemen zur publikationsbasierten leistungsorientierten Mittelvergabe oder möglichen Forschungsinformationssystemen hinzugezogen.

Systematic Review Service der UB Medizin Basel

Aufgrund einer wachsenden Nachfrage von Studierenden und Forschenden der Universität Basel bietet die Universitätsbibliothek für Medizin in Basel (UBM) seit dem Jahr 2018 einen Support Service Systematische Literaturrecherchen [7] an. Seither hat das Systematic Review Team der UBM über 300 kostenlose Beratungen und über 120 Auftragsrecherchen durchgeführt. Für Angehörige der Uni Basel und assoziierter Institute ist die erste Beratung kostenlos.

Die Inhalte der Beratungen variieren je nach Stand eines Projekts. Unser Team hat Erfahrung in allen Schritten eines Reviews und kann entsprechend eine ganzheitliche Beratung anbieten. Der Fokus liegt dabei auf der Konzeption des Reviews, der systematischen Literaturrecherche und dem Suchmanagement. Bei statistischen Fragen verweisen wir Forschende an unsere Kooperationspartner.

Den Auftragsrecherchen geht eine initiale Beratung voraus, in der v.a. geklärt wird, wie die konkrete Fragestellung lautet, welcher Reviewtyp sich am besten eignet, welche Datenbanken durchsucht und welche anderen Suchmethoden angewandt werden sollten, welche Schritte von der UBM übernommen werden können und was der Zeithorizont des Projekts sein wird. Im Anschluss erhalten die Forschenden eine Offerte.

Zur Unterstützung dieser Arbeit kommen in der UBM einige Programme zum Einsatz. EndNote wird überwiegend für das Datenmanagement verwendet, d.h. Import/Export der Ergebnisse der Datenbankrecherchen, und zur Volltextbeschaffung. Zur Deduplikation wird seit Kurzem Deduklick [8] verwendet, das die Deduplikation nach Bramer [9] automatisiert und damit den Prozess wesentlich verkürzt. Den Forschenden empfehlen wir Covidence (https://www.covidence.org) für die Screeningschritte zu verwenden. Auch wenn alle drei Programme kostenpflichtig sind, überwiegen derzeit für die UBM deren Vorteile.

Das Systematic Review Team der UBM besteht momentan aus drei Informationsspezialist*innen, alle mit eigener langjähriger Forschungserfahrung in (Bio-)Medizin und Public Health (210 Stellenprozente). Eine Mitarbeiterin brachte bereits zu Beginn des neuen Service die nötigen Kompetenzen für Systematic Reviews mit und führte die anderen Kollegen in das Thema und die Arbeitsweise ein. Hands-on-Erfahrungen mit selbst durchgeführten Reviewprojekten spielten dabei eine große Rolle. Hilfreich waren auch externe Fortbildungen/Workshops (z.B. bei Cochrane). Um die Aktualität und Qualität unserer Dienste zu gewährleisten, besuchen wir regelmäßig internationale Konferenzen und informieren uns über verschiedene Netzwerke.

Unser eigenes Kursangebot reicht mittlerweile von Grundlagenkursen zu Literaturrecherche und Umgang mit wissenschaftlicher Literatur (Literaturverwaltungssoftware, richtig zitieren), über Fortgeschrittenenkurse zu spezifischen Ressourcen (z.B. Cochrane Library, Ovid), bis hin zu ganztägigen Veranstaltungen zu Systematic Reviews [10]. Seit 2023 beteiligt sich die UBM auch maßgeblich am Weiterbildungsmodul CAS Systematic Review Information Specialist der FH Nordwestschweiz [11].

Der Systematic Review Service an der Bibliothek Medizin der UB Bern – systematische Literaturrecherche als Forschungsunterstützung bei der Evidenzsynthese

Blickt man auf die Jahre 2002 bis 2022 zurück, so weist die Anzahl der in PubMed gelisteten Artikel einen exponentiellen Anstieg auf. Diesem Trend folgen auch die sehr aufwendigen Systematischen Übersichtsarbeiten (Systematic Reviews) und Metaanalysen.

Die Beteiligung von Informationsspezialist*innen und Bibliothekar*innen an der Durchführung von Evidenzsynthesen hat einen positiven Einfluss auf die Qualität der Suchstrategien und damit auf die Ergebnisse [12], [13], [14].

Um den Forschenden professionelle Forschungsunterstützung zu bieten, wurde an der Bibliothek Medizin der Universitätsbibliothek Bern das Team Wissenschaftliche Dienstleistungen (Research Support Service, RSS) aufgebaut. Im Jahr 2020 wurden die Dienstleistungen der Bibliothek Medizin der Universitätsbibliothek Bern bereits vorgestellt [15]. An dieser Stelle soll ein kurzes Update zum Systematic Review Service gegeben werden. (Alle Dienstleistungen sind auf dem Fachportal Medizin und Pharmazie der Universitätsbibliothek [16] zugänglich).

Das Team Wissenschaftliche Dienstleistungen setzt sich aktuell aus sieben wissenschaftlichen Mitarbeiter*innen zusammen, von denen sich vier Teammitglieder überwiegend mit der Forschungsunterstützung im Bereich der Evidenzsynthese, dem Systematic Review Service (SRS), beschäftigen.

Kern des SRS ist die Durchführung von systematischen Literaturrecherchen, welche nach aktuellen Richtlinien für Evidenzsynthesen durchgeführt werden. Die Dienstleistung wird in der Regel projektbasiert erbracht, d.h. für die Dauer eines Forschungsprojekts werden die Expert*innen Teil des Projektteams. Sie sind zuständig für die Literaturrecherche und werden je nach Umfang der geleisteten Arbeit auch Co-Autor*innen der späteren Publikation.

Die Kontaktaufnahme der Forschenden mit dem Team erfolgt in der Regel per Kontaktformular oder per E-Mail. Daraufhin übernimmt ein Teammitglied mit vorhandener Zeitkapazität das Projekt und kontaktiert die Forschenden persönlich, um die weitere Zusammenarbeit zu planen.

Als erster Schritt der Recherche wird die Forschungsfrage in ihre Konzepte zerlegt. Zu jedem inhaltlichen Konzept erarbeitet der/die Expert*in relevante Suchbegriffe mithilfe bereits vorliegender Literatur („Core Paper“) und verschiedenen Thesauri. Aus diesen Suchbegriffen wird in einer der Datenbanken, meist MEDLINE, eine initiale Suchstrategie erstellt und auf Wiederfindung der Core Paper getestet.

Die Expert*innen bleiben mit den Forschenden in regelmäßigem Austausch und passen anhand deren Rückmeldung zu den vorläufigen Ergebnissen die Suchstrategie an. Ist diese ausgereift, wird sie nach Möglichkeit von den anderen Expert*innen in einem kurzen Peer Review überprüft, bevor die Übersetzung in andere Datenbanken stattfindet. Die Übersetzung der Suchstrategie in andere Datenbanken ist nicht nur eine technische, sondern auch eine inhaltlich anspruchsvolle Aufgabe, da sowohl die Suchsyntax als auch die Schlagwörter je nach Datenbank bzw. Suchoberfläche unterschiedlich sind.

Sind alle Suchstrategien übersetzt, werden möglichst während eines Tages die finalen Suchen in allen Datenbanken durchgeführt und die gefundenen Referenzen exportiert. Die Referenzen werden z.B. in EndNote zusammengetragen und anschließend (manuell oder automatisiert [8]) dedupliziert. Die Forschenden erhalten von den Expert*innen schließlich die deduplizierten Daten zusammen mit einer ausführlichen Dokumentation nach PRISMA-S [17].

Dass diese Forschungsunterstützung sehr geschätzt wird, machen die Rückmeldungen der Forschenden deutlich, beispielsweise:

„Wir nutzten den Systematic Review Service, um eine professionelle Planung und Durchführung unseres Projekts zu sichern. […]. Ein Systematic Review Service ist ein relevanter und integraler Bestandteil einer universitären medizinischen Einrichtung. Für unser Projekt war er von grossem Nutzen.“

Aktuell werden ca. 30 Projekte jährlich begleitet.


Diskussion

Die vorliegende Studie gibt erstmals einen umfassenden Überblick über die aktuelle Situation des Angebots an forschungsnahen Dienstleistungen in den medizinischen Bibliotheken der Mitglieder der AG-EBM. Die Umfrage, kombiniert mit offenen Fragen und Case Reports, ermöglichte es den Autor*innen, einen Einblick in die aktuelle Situation der von den Befragten angebotenen Dienstleistungen zu gewinnen.

Die Ergebnisse der Befragung der AG-EBM-Mitglieder bestätigen, dass die medizinbibliothekarischen forschungsnahen Dienstleistungen überwiegend von Universitätsbibliotheken (inkl. medizinischer Fakultäten) bzw. Universitätskliniken angeboten werden [3], [18]. Diese Dienste ermöglichen es den medizinischen Bibliotheken, eine wichtige Rolle in der Forschung einzunehmen.

Die von den Mitgliedern der AG-EBM angebotenen forschungsunterstützenden Dienstleistungen konzentrieren sich zwar auf die typischen Dienstleistungen der systematischen Literaturrecherche und der Literaturverwaltung [19], das Angebot beschränkt sich jedoch nicht nur auf die Beratung, sondern umfasst auch die Lehre und Informationsvermittlung sowie in einigen Fällen, wie in den Case Studies Bern und Basel gezeigt, die Durchführung von Auftragsarbeiten, welche häufig die Koautorenschaft von Artikeln und die Anerkennung der Arbeit einschließen. Diese Art der Zusammenarbeit wird immer häufiger, und die Beiträge der Bibliothekar*innen gehen über die Kompetenzen der Suchexpert*innen hinaus. Mehrere Studien haben gezeigt, wie medizinische Bibliothekar*innen auch bei der Definition von Einschlusskriterien, bei der Auswahl von Software für die Datenauswahl oder -extraktion, bei der Erstellung und Bearbeitung eines Manuskripts und bei der kritischen Begutachtung behilflich sein können [14], [20], [21]. Die Ergebnisse zeigen, dass Bibliothekar*innen, die forschungsnahe Dienstleistungen anbieten, sich dieser Tatsache bewusst sind und allmählich damit beginnen, spezifische Dienstleistungen für Evidenzsyntheseprogramme (z.B. Covidence, Rayyan, DistillerSR) anzubieten. Die Bibliotheken der Mitglieder der AG-EBM nehmen damit insofern eine Sonderrolle ein, als dass die VDB-Kommission für forschungsnahe Dienste in ihrem Positionspapier 2021 die Unterstützung bei Systematic Reviews als „eher selten” ausmachte und mehr Vernetzung und Austausch in diesem Bereich anregte [22]. Ein abzuleitender Handlungspunkt könnte sein, die Aktivitäten der AG-EBM auch außerhalb der Medizinbibliotheks-Community sichtbarer und wo möglich zugänglich zu machen.

Das Aufkommen neuer Trends wie Forschungsdatenmanagement [3], [23], [24] oder Open Science [25] bietet den medizinischen Bibliotheken neue Möglichkeiten der Zusammenarbeit und des Aufbaus von Netzwerken mit Wissenschaftler*innen und Ärzt*innen [26], [27].

Ein Open-Access-Angebot ist unter den medizinischen Bibliotheken der AG-EBM-Mitglieder recht weit verbreitet [28]. Ursprünglich war es das Ziel, den Forschenden eine schnelle Information (z.B. LibGuide, Wikis etc.) über die Möglichkeiten des Open-Access-Publizierens zur Verfügung zu stellen und das Verfahren für den Erhalt von Mitteln aus dem Publikationsfonds so einfach wie möglich zu gestalten. In den letzten Jahren ist es jedoch zunehmend schwieriger geworden, die Forschenden über die verschiedenen Möglichkeiten des Open-Access-Publizierens und der Open-Access-Förderung auf einfache Weise zu informieren [29]. So begrüßenswert die vielfältigen Möglichkeiten sind, so schwierig ist es für die Forschenden, den Überblick über die Details der Fördermöglichkeiten zu behalten (z.B. Open-Access-Zeitschrift vs. Open-Access-Option, Open-Access-Option mit/ohne DEAL-Vertrag, Sonderkonditionen bei einzelnen Verlagen, Rechnung direkt an Autor*in vs. zentrale Rechnung). Die medizinischen Bibliotheken ermutigen die Forschenden daher ausdrücklich, die Beratungs- und Unterstützungsangebote der Universitätsbibliotheken in Anspruch zu nehmen [29]. Die Umfrage zeigt, dass dies eine der am häufigsten genutzten Dienstleistungen zur Unterstützung der Forschung ist und die Zusammenarbeit zwischen Forschenden und Bibliothekar*innen ermöglicht.

Ein weiterer Service für Forschende, der ebenfalls mit Open Access in Verbindung steht, ist der Zweitveröffentlichungsservice oder „Grüne Weg“. Der „Grüne Weg“ ist die parallele oder zeitversetzte Open-Access-Publikation von Forschungsergebnissen, die zuvor in Medien mit kostenpflichtigem Zugang veröffentlicht wurden [30]. Sie werden häufig in institutionellen Repositorien veröffentlicht, die in der Regel von Universitäten betrieben werden. Der Augsburger Case Report veranschaulicht eine Aktivität, die in Kombination mit der Publikationserfassung/Hochschulbibliografie, einer eher klassischen Bibliotheksdienstleistung, wichtige Synergien schafft und wiederum Türen für zukünftige Kooperationen mit Forschenden öffnen kann.

Im neuen Nationalen Kompetenzbasierten Lernzielkatalog für Human- und Zahnmedizin wird dem Thema „Wissenschaftliches Schreiben“ [31] und damit der Rolle der Bibliotheken eine wesentlich größere Bedeutung beigemessen als bisher. Unsere Community ist sich dessen bewusst und beginnt, auf diese Chance mit den entsprechenden Herausforderungen zu reagieren. Wir erwarten in den nächsten Jahren ein wachsendes Angebot an bibliothekarischen Dienstleistungen im Zusammenhang mit dem NKLM.

Forschungsdatenmanagement ist eine der Dienstleistungen, für die in den kommenden Jahren das stärkste Wachstum erwartet wird [23]. Diese Dienstleistung umfasst alle Maßnahmen, die ergriffen werden müssen, um qualitativ hochwertige Daten zu erhalten, die gute wissenschaftliche Praxis im Datenlebenszyklus einzuhalten, die Ergebnisse reproduzierbar zu machen und allfällige Dokumentationspflichten zu berücksichtigen. Die Verfügbarkeit von Daten für die Nachnutzung ist ebenfalls ein wichtiges Thema. Hier spielt das Forschungsdatenmanagement nach den FAIR-Prinzipien eine zentrale Rolle [32]. Zur Unterstützung dieser Entwicklung sind die medizinischen Bibliotheken bereits gut aufgestellt: Neben ihrer umfangreichen Erfahrung in der Bereitstellung, Organisation und Bearbeitung von Publikationen und deren Metadaten verfügen sie über Expertise in der Bearbeitung von Klassifikationen, Standards und technischen Schnittstellen. Auch bei der Einführung und Verwaltung von Identifikatoren wie DOI oder ORCID spielen sie eine zentrale Rolle und stellen entsprechende Informations- und Unterstützungsangebote [24] bereit. Die medizinischen Bibliotheken der AG-EBM-Mitglieder beginnen damit, Dienstleistungen anzubieten, welche die Erstellung von Datenmanagementplänen für Drittmittelanträge unterstützen und zu beraten, welche Strategien des Forschungsdatenmanagements für die Forscher*innen sinnvoll sind. Außerdem sind Beratungsangebote über Publikations- und Nachnutzungsmöglichkeiten von Forschungsdaten, Informationen zu fachspezifischen Angeboten und Entwicklungen der Nationalen Forschungsdateninfrastruktur sowie Schulungen und Informationsmaterialien im Entstehen.

Nicht nur die Wahrnehmung der Bibliothek durch die Forscher*innen verändert sich, sondern auch das Selbstverständnis der Bibliotheken hin zu einer Partnerin der Forscher*innen im Wissenschaftsprozess. Dabei kommt es jeder Bibliothek zu, anhand ihrer Zielgruppe(n) und den vorhandenen personellen und finanziellen Ressourcen, ihr Portfolio an angebotenen forschungsnahen Dienstleistungen passgenau und strategisch aufzubauen und auszurichten [22], Die Verschiebung weg von einem reinen Informationsdienstleister hin zu einem Partner, der den Forschungsprozess auf verschiedenen Ebenen aktiv unterstützt, ist für die Bibliothek eine außerordentliche Chance, ihr Verhältnis und ihre Bindung zur wichtigen Nutzergruppe der Forscher*innen, ob Wissenschaftler*innen oder Ärzt*innen, zu intensivieren. Diese Chance sollten die medizinischen Bibliotheken der AG-EBM-Mitglieder nutzen und ihre Dienstleistungen vermehrt an den Bedürfnissen der Forscher*innen orientieren.

Limitationen

Die Durchführung einer Umfrage mit offenen Fragen hat einige schwerwiegende Nachteile: Sie ist zeitaufwendig, führt zu einer niedrigen Rücklaufquote (21 Bibliothekar*innen haben die Umfrage begonnen, aber nur acht haben die offenen Fragen beantwortet) und ist schwierig zu analysieren und zu interpretieren. Wir haben diese Herangehensweise dennoch gewählt, um die vermutete Diversität der Angebote und deren Kontexte besser erheben zu können. Die Umfrage wurde über eine Mailingliste verteilt und der Zeitrahmen war mit ca. elf Tagen sehr knapp bemessen, so dass möglicherweise nicht alle Bibliothekar*innen teilnehmen konnten.


Fazit

Auf der Grundlage dieser Daten kann die AG-EBM feststellen, welche Bereiche der forschungsunterstützenden Dienstleistungen bereits gut etabliert sind, in welchen weiteren Bereichen noch Verbesserungsmöglichkeiten bestehen und wie die AG-EBM zur Bedarfsdeckung beitragen kann.

Diese Ergebnisse werden auf der nächsten AGMB-Tagung erörtert und Strategien zur Entwicklung und Verbesserung der Dienstleistungsangebote anhand der Erfahrungen der AG EBM-Mitglieder diskutiert werden. Damit wird ein Beitrag zur weiteren Förderung der bereits bestehenden Kultur des Austauschs innerhalb der AG und zur Lobbyarbeit für den Sektor Forschungsnahe Dienstleistungen in Medizinbibliotheken geleistet.


Abkürzungen

  • AGMB: Arbeitsgemeinschaft für medizinisches Bibliothekswesen
  • AG-EBM: Arbeitsgruppe Evidenzbasierte Medizin (AG-EBM)
  • BASE: Bielefeld Academic Search Engine
  • FAIR: Findable, Accessible, Interoperable and Reusable
  • NFDI: Nationale Forschungsdaten Infrastruktur
  • OPUS: ursprünglich Abkürzung für Online Publikationsverbund Universität Stuttgart; Open-Source-Software zum Betrieb von fachlichen und institutionellen Repositorien

Anmerkungen

ORCIDs der Autor*innen

Danksagung

Christian Appenzeller-Herzog, Thomas Fürst und Monika Wechsler, Universität Basel, Universitätsbibliothek, UB Medizin, für ihre Mitarbeit bei der Redaktion des Basler Case Reports.

Finanzierung

Alle Autor*innen wurden als Mitarbeitende ihrer Institutionen finanziert.

Interessenkonflikte

Die Autor*innen erklären, dass sie keine Interessenkonflikte in Zusammenhang mit diesem Artikel haben.


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