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Eine differenzierte Bewertung "Schwerverletzter" zur effizienten Dokumentation von kritischen Unfallschwerpunkten im Straßenverkehr
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Veröffentlicht: | 15. Oktober 2009 |
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Fragestellung: Der Erfolg einer fundierten Verkehrssicherheitsarbeit basiert neben Fortschritten im Automobilbau, der Sicherheitstechnik und der medizinischen Versorgung auf der Analyse und Behebung von sog. Unfallschwerpunkten. Diese werden heute nach einem Drei-Klassen-System definiert, wobei die Unfälle mit Beteiligung von Schwerverletzten und Getöteten auf elektronischen Steckkarten einem Unfallort zugeordnet werden. Mit der hier vorgestellten Studie soll die Wertigkeit der bestehenden Einteilung dieser Gruppe systematisch analysiert, bewertet und hinterfragt werden.
Methodik: Hierzu diente eine retrospektive Aufarbeitung von Verkehrsunfällen (n=113) eines Jahres einer städtischen Modellregion, wobei die polizeiliche Dokumentation anonym mit den medizinischen Daten der stationär behandelten Verunfallten synchronisiert und anschließend über etablierte Trauma-Scores (NACA, AIS, MAIS, ISS) bewertet wurde. Nach deskriptiver Aufarbeitung der Datenlage wurde zur verbesserten Abbildung des "schwer verletzten" Kollektivs diese mit Hilfe der medizinischen Klassifikationen weiter differenziert. Eine Korrelationsanalyse mit der Liegedauer sollte Hinweise auf eine verletzungsgerechte Einteilung geben.
Ergebnisse und Schlussfolgerungen: Das Studienkollektiv ergab eine repräsentative Verteilung von Alter, Geschlecht und Verletzungsmuster. Die Verteilung des MAIS, ISS und des NACA Index spiegeln die Inhomogenität dieser als schwer verletzt deklarierten Personengruppe wider. 66% des untersuchten Kollektives ergaben einen ISS von <16. Die Korrelationsanalyse nach Pearson bestätigte die Wertigkeit der Scores untereinander (r MAIS/NACA= 0.787 und r ISS/NACA= 0.803; p=0.0001). Die an Hand des MAIS fortgeführte Differenzierung ergab, dass 47.8% des gesamten Kollektivs medizinisch als leichtverletzt eingestuft werden (LSV) und 89% dieser Gruppe nach einer Liegedauer von vier Tagen entlassen wurden. Die durchschnittliche Liegedauer betrug 12.75 Tage, wobei 37.6 % (n=44) unter drei Tagen stationär behandelt wurden.
Die exakte Verknüpfung von Unfallort, -art, -typ und -mechanismus mit der tatsächlichen Unfallschwere beteiligter Personen stellt im Rahmen der modernen Unfallforschung einen wichtigen Analyseschritt dar. Die Ergebnisse dieser Studie zeigen, dass ein Drittel der polizeilich als schwer verletzt bezeichneten Unfallbeteiligten nach drei Tagen entlassen wurden. Diese Einteilung für die Verkehrssicherheitsingenieure ist nach aktuellem Stand nicht ausreichend und der größte Anteil an Unfallverletzten wird nicht adäquat erfasst. Dies führt zu einer verfälschten statistischen Aufarbeitung der kritischen Verkehrspunkte mit gravierender Fehlinterpretation. Eine neue, weiterführende Verknüpfung von polizeilichen und medizinischen Daten halten wir für eine zukunftsorientierte Verkehrssicherheitsarbeit für unumgänglich. Somit sollte diese durch medizinische Fachkompetenz ergänzt werden. Als Ansatz könnte der Einsatz von etablierten Trauma Scores und eine differenzierte Betrachtung der Liegedauer dienen.