gms | German Medical Science

Fragestellung: Kann ein evidenzbasierter Score wie der SITE-Score, die Therapieentscheidung eines multidisziplinären Expertengremiums, für die definitive Therapie von primären spinalen Infektionen im Vergleich zu rein radiologisch basierten Scores oder der Meinung von einzelnen Senior-Chirurgen, besser widerspiegeln?

Methodik: Unter Nutzung des Krankenhausinformationssystem wurden Patienten älter als 18 Jahren mit spinalen de-novo Infektionen zwischen Januar 2019 und Dezember 2021 identifiziert. Klinische Daten wie neurologischer Status, Infekt Lokalisation, Schmerzstatus, Komorbiditäten und anonymisierte CT und MRT Bildgebung, wurden retrospektiv in eine anonymisierte externe Datenbank übertragen. Ein multidisziplinäres Expertengremium bestehend aus zwei langjährig tätigenNeurochirurgen und einem langjährig tätigen Orthopäden, bewerteten jeden Patienten für den SINS, SISS und SITE-Score. Darüber hinaus wurde eine Therapieempfehlung für jeden Patienten durch jeden Experten abgegeben. Aus den gegebenen Expertenempfehlungen wurde ein Mehrheitsbeschluss gebildet. Die Ergebnisse der inkludierten Scores wurden mit dem Mehrheitsbeschluss des Expertengremiums für oder gegen eine operative Therapie und dem klinischen Outcome der Patienten verglichen. Für jeden Score wurden Intraclass Correlation Coefficients (ICCs) berechnet. Prädiktive Validitäten für die inkludierten Scores wurden mittels Kreuztabellen berechnet. Das Signifikanzniveau wurde bei <=0,05 angesetzt

Ergebnisse und Schlussfolgerung: 263 Patienten mit spinalen de-novo Infektionen konnten identifiziert werden. Nach Exklusion von doppelten Patienten, nicht primären Infektionen und Patienten mit unvollständiger CT und MRT Bildgebung verblieben 123 Patienten. 70,7 % des Kollektivs wurden operativ und 29,3 nicht operativ therapiert. ICCs für den SITE Score, SINS und SISS beliefen sich auf 0,94 (0,91–0,95, p<0,01), 0,65 (0,91–0,83, p<0,01) und 0,80 (0,91–0,89, p<0,01). Im Vergleich zur Empfehlung des Expertengremiums lag die Sensitivität für den SITE-Score für die definitive Therapieentscheidung für das Gesamtkollektiv bei 96,97% und die Spezifität bei 81,88%. Für potenziell instabile Infektionen zeigte der SISS und SINS, eine Sensitivität von 84,42% und 64,07% sowie eine Spezifität von 31,16% und 56,52%. Der SITE Score zeigte eine höhere Sensitivität und Spezifität für epidurale Abszesse, mit 97,53% und 75% als der SINS oder der SISS. Der SITE Score zeigt eine signifikant höhere Übereinstimmung zur Empfehlung des Expertengremium, als die Entscheidung eines singulären Experten für Patienten mit Spondylodiszitis, Diszitis oder spinaler Osteomyelitis als der SINS oder der SISS.

Der SITE Score zeigt eine hohe Sensitivität und Spezifität in Bezug auf die Therapieempfehlung eines interdisziplinären Expertengremiums. Dabei zeigte sich eine höhere Validität als bei rein radiologischen basierten Scores oder der Einzelentscheidung von Senior-Chirurgen. Der SITE-Score zeigte im Vergleich die höchste Validität der Therapieentscheidung für epidurale Abszesse.