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Deutscher Kongress für Orthopädie und Unfallchirurgie (DKOU 2023)

24. - 27.10.2023, Berlin

Permissive Hypotension bei kritischen Blutungen des schwerverletzten Patienten – Leitlinie und klinische Realität

Meeting Abstract

  • presenting/speaker Sebastian Imach - Kliniken der Stadt Köln gGmbH, Klinikum Köln-Merheim, Klinik für Unfallchirurgie, Orthopädie und Sporttraumatologie, Lehrstuhl der Privaten Universität Witten/Herdecke, Köln, Germany
  • Dan Bieler - Bundeswehrzentralkrankenhaus Koblenz, Klinik für Unfallchirurgie und Orthopädie, Wiederherstellungs- und Handchirurgie, Verbrennungsmedizin, Koblenz, Germany
  • Chiara Iasevoli - Kliniken der Stadt Köln gGmbH, Klinikum Köln-Merheim, Klinik für Anästhesiologie und Operative Intensivmedizin, Lehrstuhl der Privaten Universität Witten/Herdecke, Köln, Germany
  • Rolf Lefering - Universität Witten/Herdecke, Institut für Forschung in der Operativen Medizin (Institut für Forschung in der Operativen Medizin (IFOM)), Köln, Germany
  • Arasch Wafaisade - Kliniken der Stadt Köln, Krankenhaus Köln Merheim, Klinik für Orthopädie, Unfallchirurgie und Sport, Köln, Germany
  • Heiko Trentzsch - Klinikum der Universität München, Institut für Notfallmedizin und Medizinmanagement, München, Germany

Deutscher Kongress für Orthopädie und Unfallchirurgie (DKOU 2023). Berlin, 24.-27.10.2023. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2023. DocAB38-3371

doi: 10.3205/23dkou165, urn:nbn:de:0183-23dkou1658

Veröffentlicht: 23. Oktober 2023

© 2023 Imach et al.
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Gliederung

Text

Fragestellung: Beim schwerverletzten Patienten stellt die Hämorrhagie eine der Hauptursachen für eine Kreislaufinstabilität dar. Eine fehlende Blutungskontrolle ist dabei weltweit für ca. 40% der Todesfälle verantwortlich.

Leitlinien postulieren das Konzept der „permissive Hypotension“. Dazu soll die Volumenersatztherapie für die Dauer der fehlenden Blutungskontrolle in reduzierter Form durchgeführt werden. Das Ziel ist es,den Blutdruck (RR) und damit die Gewebeperfusion auf einem niedrig-normalen Niveau stabil zu halten, ohne die Blutung zu verstärken.

Die aktuelle S3-Leitlinie Polytrauma/Schwerverletzten-Behandlung definiert einen systolischen Blutdruck von <80 mmHg als neues Therapieziel, um die Thrombenbildung zu unterstützen und gleichzeitig eine ausreichende Perfusion der Endorgane sicherzustellen. Die aus dem Jahr 2019 stammende europäische Leitlinie zum Management von großen Blutungen und Koagulopathie definiert, wie die deutschsprachige S3-Leitlinie Polytrauma/Schwerverletzten-Behandlung in einer älteren Version,einen systolischen Blutdruckwert von <90 mmHg als Zielparameter.

Über die Umsetzung der Leitlinienempfehlungen zur permissiven Hypotension liegen für Deutschland bisher keine Daten vor.

Methodik: Im Datensatz des TraumaRegister DGU® wurden alle Patienten seit 2015 mit einer Indikation zur permissiven Hypotension identifiziert (kein GCS< 9, mindst. AIS 9 in einer Körperregion außer Schädel und Extremitäten, prähospitaler erster sysRR > 60 mmHg). Zusätzlich wurde BATT-Score (Bleeding Audit and Triage Trauma Score, 5) zur Abschätzung der Letalität durch eine traumatische Blutung berechnet. Die identifizierten Patienten wurden definiert durch den sysRR-Wert bei Aufnahme im Schockraum in 5 Gruppen unterteilt (1 .ALT:<90 mmHg, 2. NEU:< 80 mmHg, 3. CON: >90 mmHg, 4. FENSTER:>80 und <90 mmHg, 5. Narkose: >90 mmHg mit prähospitaler Atemwegssicherung.

Für alle Gruppen wurden die Outcome-Variablen beschrieben und Subgruppen definiert, die durch die Menge der prähospitalen Volumengabe gebildet wurden (LOW: <500 ml, MID: 501–1499 ml, HIGH: >1500 ml). Das Signifikanzniveau wurde auf p<0,05 festgelegt.

Ergebnisse und Schlussfolgerung: Es wurde 7.131 Patienten in die Studie eingeschlossen. Die Letalität in CON (n=4.496) lag bei 1,4%. Die Letalität zeigte einen volumenabhängigen Effekt. Patienten der Gruppe ALT hatten eine Letalität von 2,1%, wenn sie prähospital kontrolliert nicht blutprodukt-basierten Volumenersatz erhielten (MID). Die Letalität stieg auf 7,6%, wenn die erhaltene Volumengabe als HIGH definiert wurde und wenn restriktiv Volumen gegeben wurde (5,3%, LOW). Die Letalität steigt in NEU signifikant unabhängig von der Volumengabe. In NARKOSE waren die Patienten signifikant häufiger nicht im therapeutischen Zielfenster (sysRR<90 mmHg).

Die in Leitlinien definierten Zielwerte für den sysRR beeinflussen die Letalität in dem beschriebenen Kollektiv nicht signifikant. Die Menge der Volumengabe hat einen Einfluss. Die Notwendigkeit einer prähospitalen Narkose erschwert das Erreichen einer permissiven Hypotension.