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NSAR – Evidenz und Standards in der Prävention neurogener heterotoper Ossifikation nach akuter traumatischer Querschnittlähmung – Ergebnisse einer ambispektiven Studie
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Veröffentlicht: | 23. Oktober 2023 |
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Fragestellung: In der Literatur variiert die Inzidenz von neurogenen heterotopen Ossifikationen (nHO) nach einer traumatischen Querschnittlähmung (tQSL) sehr stark zwischen 10–78%. Um die schwerwiegenden Komplikationen einer nHO zu vermeiden, war das Ziel dieser Studie, das Nutzen- und Nebenwirkungsverhältnis des nichtsteroidalen Antirheumatikums (NSAR) Ibuprofen in entzündungshemmender Dosierung und deren mögliche Verringerung der Inzidenzrate nHO nach einer tQSL zu analysieren.
Methodik: In der ambispektiven Studie wurden 324 Patient*innen mit einer akuten tQSL im Alter ab 14 Jahren, die von Oktober 2010 bis Ende 2017 in einem Level-I-Traumazentrum hospitalisiert wurden, untersucht. Anhand der wenigen Literaturangaben wurde das optimale Ibuprofen-Therapieschema (OTS) (Beginn bis 14 Tage nach Unfall, Dosis >1200 mg/Tag für mindestens 28 Tage) festgelegt und im Vergleich zum abweichenden Therapieschema (ATS) mittels Cox-Regression, Kaplan-Meier-Verfahren und Propensity Score Matching analysiert.
Ergebnisse und Schlussfolgerung: In 45% aller Fälle (n=146) wurde ein OTS durchgeführt. Im Gruppenvergleich waren Patient*innen aus der Gruppe OTS jünger (Median 53 Jahre vs. 63 Jahre; SMD 0,39), gesünder (Charlson Comorbidity Index; SMD 0,41) und hatten einen höheren Anteil an einer sensomotorisch kompletten Querschnittlähmung (ASIA Impairment Score (AIS) A mit 51% vs. 38% der Fälle; SMD 0,3). Die mediane Behandlungsdauer betrug 78 Tage (IQR 52,5–105,6 Tage) mit einer mittleren Dosierung von 1800 mg/Tag. Aufgrund des Studiendesigns lag die Nachbeobachtungszeit im Median bei 394 Tagen (IQR 124–954 Tage), die in der statistischen Analyse durch Adjustierung der Nachbeobachtungszeit berücksichtigt wurde. In der Matching-Analyse lag die Ereigniswahrscheinlichkeit, keine HO zu entwickeln, nach 200 Tagen für die Gruppe OTS bei 98 % sowie für die Gruppe ATS bei 92,7% und veränderte sich danach nicht mehr. Als nHO-Risikofaktoren wurden der neurologische Schweregrad AIS B und das Thoraxtrauma identifiziert. Ein möglicher Zusammenhang mit der NSAR-Therapie wurde für ein vorübergehendes Nierenversagen mit einer Inzidenzrate/100 Personenmonate von 0,15 und für gastrointestinale Blutungen mit einer Inzidenzrate/100 Personenmonate von 0,46 festgestellt, auch wenn es keine signifikanten Unterschiede zwischen den Therapiegruppen gab. In einer Cox-Regression für die Pseudarthrose als abhängige Variable zeigte sich im Gesamtkollektiv kein Zusammenhang zwischen einer Pseudarthrose und der NSAR-Therapie (HR 0,94, KI 0,22–3,92, p=0,93).
Mit einem optimalen NSAR-Therapieschema kann unter Berücksichtigung von Confoundern ein um 95% erniedrigtes Risiko für das Auftreten einer nHO nach einer tQSL erreicht werden. Zusätzlich zeigte sich unter den Bedingungen einer „Real-Life“-Studie ein positives Nutzen- und Nebenwirkungsverhältnis. Um eine ausreichende Empfehlungsstärke für Behandlungsleitlinien zu erreichen, ist eine nationale multizentrische Beobachtungsstudie geplant.