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Deutscher Kongress für Orthopädie und Unfallchirurgie (DKOU 2023)

24. - 27.10.2023, Berlin

Tabu Amputation – „Niederlage“ oder sinnvolle Option bei Therapie-refraktärer Osteomyelitis?

Meeting Abstract

  • presenting/speaker Eva Simone Steinhausen - BG Klinikum Duisburg, Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie, Universität Duisburg-Essen, Duisburg, Germany
  • Pia Mahadevan - Medizinische Fakultät der Universität Duisburg-Essen, Essen, Germany
  • Martin Glombitza - BG Klinikum Duisburg, Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie, Duisburg, Germany
  • Veronika Weichert - Unfallchirurgie, BG Klinikum Duisburg, Universitätsmedizin Essen, Universität Duisburg-Essen, Duisburg, Germany
  • Marcel Dudda - BG Klinikum Duisburg gGmbH, Universitätsklinikum Essen, Duisburg, Germany

Deutscher Kongress für Orthopädie und Unfallchirurgie (DKOU 2023). Berlin, 24.-27.10.2023. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2023. DocAB68-2229

doi: 10.3205/23dkou346, urn:nbn:de:0183-23dkou3468

Veröffentlicht: 23. Oktober 2023

© 2023 Steinhausen et al.
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Gliederung

Text

Fragestellung: Ultima ratio bei Therapie-refraktären Verläufen einer chronischen Osteomyelitis ist die Amputation. Sowohl für den Patienten als auch für den Arzt bedeutet dies häufig eine „Niederlage“. In der Literatur werden Patienten mit septischen Amputationen nur selten als eigenes Kollektiv betrachtet.

Ziel unserer Studie war, Verlauf und Outcome von Patienten mit septischen Major-Amputationen der unteren Extremität zu analysieren und mögliche prädiktive Faktoren für einen frustranen Verlauf zu identifizieren.

Methodik: Pat. mit septischer Major-Amputation der unteren Extremität zwischen 01/2011 und 07/2021 wurden retrospektiv analysiert. Ausgewertet wurden präoperativer Verlauf, Mikrobiologie, Zeitpunkt der Amputation und Outcome incl. prospektiver Erfassung der Lebensqualität mittels Short Form 36 (SF-36). Die Auswertung erfolgte deskriptiv.

Ergebnisse: 101 Pat. wurden ausgewertet (m=70, w=31). Das Durchschnittsalter betrug 58,7 Jahre. Nur 24/101 Pat. hatten keine relevanten Vorerkrankungen oder Risikofaktoren (Nikotin, Alkohol, Adipositas). Einen Diab.mell. hatten 39% der Pat., eine relevante pAVK 29%, 13% hatten beides. Eine primär offene Fraktur lag bei 23% vor. Bei 73 Pat. wurde ein mehrfach-resistenter Erreger nachgewiesen, bei 60 Pat. lag eine Mischinfektion vor, in 50% der Fälle lag beides vor. Bei allen Pat. waren zahlreiche Operationen zur Infektberuhigung und zum Extremitätenerhalt durchgeführt worden, bei 30% der Pat. >10 Operationen. 37 Pat. hatten eine Lappenplastische Deckung erhalten. Von Infektnachweis bis zur Amputation vergingen durchschnittlich 20,3 Monate. Bei 65 Pat. wurde eine Unterschenkel-, bei 33 Pat. eine Oberschenkelamputation und bei 3 Pat. eine Knieexartikulation durchgeführt. Nach Amputation wurden 37 Pat. nochmals revidiert. Bei der letzten Untersuchung waren 88 Pat. exoprothetisch versorgt, 76 Pat. mit der Exoprothese mobil. Bisher wurden 10 Pat. zur Lebensqualität mittels SF-36 befragt. Durchschnittlich wurden 38,4 Punkte in der körperlichen und 52,8 Punkte in der psychischen Summenskala erreicht. Einschränkungen zeigten sich v.a. in der körperlichen Funktion, während in den sozialen und psychischen Bereichen nahezu Normwerte erzielt wurden.

Schlussfolgerung: Therapie-refraktäre Verläufe sind multifaktoriell bedingt. Neben resistenten Erregern und Mischinfektionen finden sich vermehrt multipel vorerkrankte Patienten. Die Entscheidung zur Ablatio wird oft erst spät gestellt. Viele Pat. profitieren danach von einer schnellen Mobilisierung mit Exoprothese. Im SF-36 finden sich ausgezeichnete Ergebnisse in den sozialen und psychischen Bereichen. Auch wenn die Entscheidung zur Amputation schwierig ist und selbstverständlich wohl überlegt sein muss, kann sie eine gute Therapieoption für Pat. sein und sollte nicht um jeden Preis vermieden werden. Das Vorhandensein mehrerer prädiktiver Faktoren für einen frustranen Verlauf kann bei der Entscheidungsfindung helfen und eventuell eine Therapieverzögerung verhindern.