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22. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

04.10. - 06.10.2023, Berlin

Patientensicherheit in der ambulanten Versorgung – Proxy-Befragung zur Häufigkeit von PSP mit schwerwiegenden Folgen

Meeting Abstract

  • Svenja Seufert - Philipps-Universität Marburg, Institut für Versorgungsforschung und Klinische Epidemiologie, Marburg, Deutschland
  • Werner de Cruppé - Philipps-Universität Marburg, Institut für Versorgungsforschung und Klinische Epidemiologie, Marburg, Deutschland
  • Johannes Leinert - Bertelsmann Stiftung, Gütersloh
  • Max Geraedts - Philipps-Universität Marburg, Institut für Versorgungsforschung und Klinische Epidemiologie, Marburg, Deutschland

22. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 04.-06.10.2023. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2023. Doc23dkvf009

doi: 10.3205/23dkvf009, urn:nbn:de:0183-23dkvf0098

Veröffentlicht: 2. Oktober 2023

© 2023 Seufert et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund und Stand der Forschung: In Deutschland erleben Patient:innen der ambulanten Versorgung häufig patientensicherheitsrelevante Probleme (PSP). Unklar ist jedoch, ob und wie häufig PSP mit schwerwiegenden Folgen wie Schwerstpflegebedürftigkeit und Tod im ambulanten Versorgungssektor in Deutschland auftreten, da die Betroffenen nicht auskunftsfähig sind.

Fragestellung und Zielsetzung, Hypothese: Die Studie berichtet erstmals über die Häufigkeit von PSP mit schwerwiegenden Folgen für Patient:innen ≥40 Jahre, die aufgrund von Schwerstpflegebedürftigkeit oder Tod nicht mehr in der Lage sind, von diesen selbst zu berichten.

Methode: Von Mai bis Oktober 2018 wurden mittels computer-gestützter Telefoninterviews in Form von Proxy-Interviews im Rahmen der vom Innovationsfonds geförderten Studie „Patentensicherheit in der Ambulanten Versorgung“ (F-KZ: 01VSF16015) 10.037 zufällig rekrutierte Erwachsene ab 40 Jahren zu PSP mit schwerwiegenden Folgen für ihre Eltern und leiblichen Kinder ≥40 Jahre befragt. Die Häufigkeit von PSP mit schwerwiegenden Folgen, die Art der medizinischen Versorgung sowie die betroffenen ärztlichen Behandlungsbereiche werden deskriptiv unter Benennung der Anteile und 95%-Konfidenzintervalle berichtet.

Ergebnisse: 1.415 von 10.037 Teilnehmer:innen gaben an, dass ihre Eltern nach dem 40. Lebensjahr schwerstpflegebedürftig wurden (N=305) oder nach dem 40. Lebensjahr, aber vor der fernen Lebenserwartung (Männer: ≤79 Jahre /Frauen: ≤84 Jahre) verstarben (N=1.110). Die [a] Schwerstpflegebedürftigkeit bzw. den [b] Tod ihrer Eltern nahmen rund [a] 7% (4,8-10,7) bzw. [b] 8% (6,2-9,4) der Befragten als Folge eines PSP wahr. 0,3% (0,1-1,8) bzw. [b] 2,3% (1,5-3,3) bejahten einen Zusammenhang zwischen der schwerwiegenden Folge und einem PSP, bei dem das medizinische Personal diesen verneinte. Eine hausärztliche Beteiligung gaben [a] 4,5% (0,8-21,8) bzw. [b] 32,9% (23,9-43,5); eine ambulante fachärztliche Beteiligung gaben [a] 31,8% (16,4-52,7) bzw. [b] 21,2% (13,8-31,0) der Befragten an. Die häufigsten von schwerwiegenden PSP betroffenen Behandlungsbereiche waren Anamnese/Diagnostik [a] 41,2% (21,6-64,0%) /[b] 38,8% (29,2-49,5); Nachsorge [a] 29,4% (13,3-53,1) /[b] 14,1% (8,3-23,1) und Medikation [a] 11,8% (3,3-34,3) /[b] 12,9% (7,4-21,7). Keines der leiblichen Kinder ≥40-Jahre der Befragten war in Folge eines PSP im ambulanten Versorgungssektor schwerstpflegebedürftig geworden bzw. verstorben.

Diskussion: Proxy-Befragungen können PSP mit schwerwiegenden Folgen im ambulanten Versorgungssektor aufklären; Angehörige und Hinterbliebene berichten vielfach solche Ereignisse, die jedoch vom medizinischen Personal oftmals nicht anerkannt werden.

Implikation für die Versorgung: Strukturierte Befragungen von Bürger:innen bzw. Patient:innen sollten regelmäßig eingesetzt werden, um Kenntnisse zur Patientensicherheit in Form eigener erlebter PSP oder schwerwiegender PSP von Angehörigen zu erlangen und daraus lernen zu können.

Förderung: Innovationsfonds/Versorgungsforschung; 01VSF16015