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Auswirkungen der neuen Mindestmengen in der Viszeralchirurgie auf die Versorgung im Bundesland Brandenburg
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Veröffentlicht: | 2. Oktober 2023 |
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Hintergrund und Stand der Forschung: Aufgrund des Zusammenhangs zwischen Fallzahl und Ergebnisqualität wurden seit 2004 Mindestmengenregelungen (Mm-R) in Deutschland eingeführt. In der Viszeralchirurgie werden die Mm für komplexe Eingriffe am Ösophagus und Pankreas zu 2023 bzw. 2025 angehoben. Kliniken, die die Mm voraussichtlich nicht erreichen, dürfen diese Operationen dann nicht mehr durchführen und abrechnen.
Fragestellung und Zielsetzung, Hypothese: Die Studie beantwortet die Fragen, welche Auswirkungen die an der Versorgung Beteiligten durch die neuen Mm in der Viszeralchirurgie erwarten und welche Lösungsansätze es für Brandenburg gibt.
Methode: Es wurden halbstrukturierte Expert:inneninterviews mit 15 Krankenhausangestellten (Chefärzten/Oberärzten/Pflegedirektor), die anhand eines qualitativen Stichprobenplans ausgewählt wurden, sowie drei niedergelassenen Ärzt:innen und einer Patient:innenvertreterin im Zeitraum 07/2022 bis 01/2023 per Telefon, Videokonferenz oder in Präsenz durchgeführt. Die Datenauswertung erfolgte anhand der qualitativen Inhaltsanalyse.
Ergebnisse: Die an der Versorgung Beteiligten erwarten, dass die neuen Mm-R in der Viszeralchirurgie dazu führen, dass nur wenige Kliniken (Zentren) für die operative Versorgung bestehen bleiben. Zugleich könnten mehr Kliniken, die die komplexen Operationen nicht (mehr) durchführen, die Funktion von „Portalkliniken“ für die Basisversorgung, Diagnostik und Nachsorge übernehmen. Die Umverteilung könnte auch Auswirkungen auf nicht direkt von der Mm-R betroffene Behandlungen haben, z.B. bei postoperativen Komplikationen nach der Entlassung und der Notfallversorgung. Durch die Mm-R können Fehlanreize für Kodierung und Behandlung entstehen. Patient:innen können von den neuen Mm-R im Sinne einer qualitativ hochwertigeren operativen Versorgung profitieren, müssen aber zum Teil weite Anfahrten in Großstädte in Kauf nehmen. Weiterhin betrifft die Erhöhung der Mm die Weiterbildung, Personalgewinnung, Angebotsverlagerungen und Sogwirkungen. Als Lösungsvorschlag werden insbesondere Kooperationen zwischen verschiedenen Kliniken diskutiert, die strukturell gefördert werden sollten, um sich etablieren zu können. Zudem wünschen sich einige Interviewte eine regionale Planung und die Orientierung an Strukturqualität anstatt die Vorgabe von „einfachen Zahlen“.
Diskussion: Die Studie zeigt, dass die Mm-R nicht nur Ergebnisqualität und Erreichbarkeit beeinflussen, sondern eine Vielzahl weiterer Effekte mit sich ziehen. Insgesamt könnte sich die Versorgungsqualität der betroffenen Patient:innen sogar verschlechtern, wenn die Expertise für die Behandlung von z.B. postoperativen Komplikationen in der Breite verloren geht. Insbesondere für Flächenländer stellt die Mm-R Herausforderungen für den Zugang zu Ösophagus- und Pankreasoperationen sowie und die Kommunikation zwischen Zentren und Portalkliniken bzw. ambulanten Versorger:innen dar.
Implikation für die Versorgung: Bei der Planung von Mm-R, bzw. der angestrebten Krankenhausreform, sollten neben Ergebnisqualität und Erreichbarkeit auch die hier aufgeworfenen Aspekte untersucht und in die Entscheidungsfindung mit einzogen werden.