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22. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

04.10. - 06.10.2023, Berlin

Befragung von medizinischem Fachpersonal zu Zweitmeinungen bei der Indikation zum elektiven Kaiserschnitt in Deutschland

Meeting Abstract

  • Anke Kaulbert - Institut für Forschung in der Operativen Medizin (IFOM), Universität Witten/Herdecke, Köln, Deutschland
  • Nadja Könsgen - Institut für Forschung in der Operativen Medizin (IFOM), Universität Witten/Herdecke, Köln, Deutschland
  • Dawid Pieper - Medizinische Hochschule Brandenburg – Theodor Fontane, Neuruppin, Deutschland
  • Katja Stahl - Universität zu Lübeck, Lübeck, Deutschland
  • Sven Schiermeier - Marien Hospital Witten, Witten, Deutschland
  • Barbara Prediger - Institut für Forschung in der Operativen Medizin (IFOM), Universität Witten/Herdecke, Köln, Deutschland

22. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 04.-06.10.2023. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2023. Doc23dkvf129

doi: 10.3205/23dkvf129, urn:nbn:de:0183-23dkvf1297

Veröffentlicht: 2. Oktober 2023

© 2023 Kaulbert et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund und Stand der Forschung: Seit Jahrzehnten steigt weltweit die Kaiserschnitt-(KS) Rate an. In Deutschland ist diese von 15,3% (1991) auf 30,9% (2021) gestiegen. Neben populationsbedingten Faktoren (z.B. Altersanstieg der Schwangeren) hängen auch nicht-medizinisch indizierte Faktoren (z.B. strukturelle Faktoren) mit dem Anstieg zusammen. Ein Ansatz zur Begrenzung der nicht-medizinisch indizierten KS-Entbindungen ist die Einholung einer Zweitmeinung (ZM). In Deutschland haben Versicherte bei ausgewählten Indikationen nach § 27b SGB V einen Anspruch auf eine unabhängige ärztliche ZM. Das IQWiG prüfte 2021, ob die Indikation zum elektiven KS aufgrund einer möglichen Überversorgung und der Mengendynamik in die ZM-Richtlinie aufgenommen werden sollte. Zweifel an der Umsetzbarkeit eines geordneten ZM-Verfahrens aufgrund der Dynamik der Indikation führten dazu, dass die Aufnahme in die Richtlinie nicht empfohlen wurde.

Fragestellung und Zielsetzung, Hypothese: Ziel dieser Studie ist es, durch Online-Befragungen von Gynäkolog:innen und Hebammen neue Erkenntnisse über die fachliche Sicht auf die Sinnhaftigkeit und Umsetzbarkeit der ZM-Einholung bei elektiven KS zu gewinnen.

Methode: Für beide Berufsgruppen wurde auf Grundlage der aktuellen Literatur und durch die Konsultation von Expert:innen jeweils ein Fragebogen erstellt und ein Pretest durchgeführt. Die Befragungen wurden im Januar (Ärzt:innen) und Februar (Hebammen) mit LimeSurvey online gestellt. Niedergelassene Gynäkolog:innen und Hebammen wurden über verschiedene Wege (u.a. E-Mail Verteiler, Berufsverbände, Social Media) zur Teilnahme eingeladen. Die Fragebögen beinhalten die Themengebiete Erfahrungen mit ZM im Kontext des elektiven KS, Einschätzungen zur Durchführbarkeit und soziodemographische Merkmale. Die Daten werden deskriptiv ausgewertet.

Ergebnisse: Zum Zeitpunkt der Zwischenauswertung (März 2023) haben 167 Gynäkolog:innen und 185 Hebammen die Fragebögen vollständig ausgefüllt. Von den Gynäkolog:innen wurden 52,7% (88/167) und von den Hebammen 58,0% (109/185) bereits für eine ZM zu Rate gezogen. 53,9% (90/167) der Gynäkolog:innen und 64,3% (121/185) der Hebammen verneinten die Frage, ob etwas gegen die Einholung einer ZM spreche. 24,6% (41/167) der Gynäkolog:innen und 44,1% (83/185) der Hebammen hielten ein strukturiertes ZM-Verfahren nach der ZM-Richtlinie bei elektiven KS für ein sinnvolles Instrument, um vermeidbare Eingriffe zu reduzieren. Dabei sehen 67,7% (113/167) der Gynäkolog:innen und 73,4% (138/185) der Hebammen die Dynamik der Indikation nicht als Hinderungsgrund an.

Diskussion: Die Ergebnisse zeigen, dass ZM bei Indikation zum KS bereits eingeholt werden und die Mehrheit findet, dass nichts gegen die Einholung einer ZM spricht. Insgesamt herrschen jedoch heterogene Meinungen zum Thema ZM und elektiver KS bei Gynäkolog:innen und Hebammen. Möglicherweise ist die ZM-Richtlinie, die u.a. die Hysterektomie betrifft, bei den Gynäkolog:innen bekannter als bei den Hebammen.

Implikation für die Versorgung: Ein strukturiertes ZM-Verfahren (z.B. nach Richtlinie) scheint aus Sicht der Leistungserbringenden grundsätzlich sinnvoll, ob dies nach der ZM-Richtlinie erfolgen sollte bleibt unklar.