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22. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

04.10. - 06.10.2023, Berlin

Wann und wann nicht greifen (cluster-)randomisierte Studien ins Leere? Eine kritische Analyse mit Blick auf Interventionsstudien für digitale Technologien im stationären Langzeitkontext

Meeting Abstract

  • Hester Knol - Lindera GmbH, Berlin, Deutschland
  • Marie Kura - Psychologische Hochschule Berlin (PHB), Berlin, Deutschland
  • Mandy Schickor - Lindera GmbH, Berlin, Deutschland
  • Lea Malcher - Lindera GmbH, Berlin, Deutschland
  • Jürgen Zerth - Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt, Eichstätt, Deutschland
  • Sebastian Müller - Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt, Eichstätt, Deutschland

22. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 04.-06.10.2023. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2023. Doc23dkvf202

doi: 10.3205/23dkvf202, urn:nbn:de:0183-23dkvf2024

Veröffentlicht: 2. Oktober 2023

© 2023 Knol et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund und Stand der Forschung: RCTs (Randomized Controlled Trials) sind der gängige Ansatz zur Evidenzfindung bei Interventionsstudien. In komplexeren Kontexten, wie etwa der Pflege, greifen Erweiterungen, wie Cluster- Randomisierungen (cRCT), um Zusammenhänge zwischen Setting und zu inkludierenden ProbandInnen ermitteln zu können. Alternativere Erhebungsmethoden können aufgrund der Verzerrungsgefahr durch Settingattribute wie Organisationsmerkmale, Care-Mix und Case-Mix notwendig sein.

Fragestellung und Zielsetzung: Im Hinblick auf potenziellen Verzerrungen wird untersucht, inwieweit und unter welchen Bedingung RCTs und cRCTs eine geeignete Methode in der stationären Pflege darstellen, um Wirkungseffekte insbesondere digitaler Interventionen darstellen zu können.

Hypothesen: RCTs – insbesondere in der Form der Cluster-Randomisierung – sind eine geeignete Methode zur Erfassung von Wirkungseffekten für Technologieeinsatz in der stationären Pflege. RCTs können, bei Bewusstsein einer stringenten Beschreibung von „Usual Care“, die Versorgungsrealität in der stationären Pflege mit Blick auf die grundlegende Wirkungshypothese realistisch abbilden.

Methode: Zur Prüfung der Hypothesen werden die Ergebnisse eines multizentrischen cRCTs (Zeitraum Oktober 2020 bis Mai 2023 in 18 stationären Pflegeeinrichtungen) zur Evaluation der Wirksamkeit einer digitalen Anwendung zur Sturzprophylaxe herangezogen. Dabei wurden Daten von N = 190 Gepflegten (37 männlich, 153 weiblich, älter als 65 Jahren) erhoben. Zusätzlich wurde auf den Einfluss der Einrichtungsgröße kontrolliert. Sowohl bei Gepflegten der Interventionsgruppe (n=86) als auch bei Gepflegten der Wartekontrollgruppe (n=104) wurde während eines 12-monatigen Studienzeitraums in Dreimonatsabständen das Sturzrisiko erfasst. Bei Gepflegten aus der Interventionsgruppe wurde zudem in Dreimonatsintervallen eine Intervention zur Sturzprophylaxe durchgeführt. Die Teilnehmenden aus der Wartekontrollgruppe erhielten diese Behandlung erst nach einer sechsmonatigen Wartekontrollphase.

Ergebnisse: Es zeigte sich eine hohe Dropoutrate (15 Sterbefälle; 15 Mobilitäts-einschränkungen; 6 Rückzug Einwilligungen, 106 Ausstiege aus der Studie auf Grund von Covid, Personalmangel etc.; Gesamtzahl Dropouts: 142). Endgültige Ergebnisse sind ab Juli 2023 zu erwarten.

Diskussion: Aufgrund systematisch zu erkennender Unterschiede zwischen der Kontroll- und der Interventionsgruppe und der gleichzeitigen hohen Dropoutrate lassen sich die Befunde aus der Studie nicht kausal auf das untersuchte Treatment zurückführen. Diese Befunde stellen die Umsetzbarkeit und Nützlichkeit von cRCTs zur Beschreibung und Evaluation der Versorgung in der stationären Pflege in Frage. Die Erfahrungen unterstreichen die Bedeutung alternativer Designs, etwa pragmatisch kontrollierter Studien oder auch intraindividuelle Designs zur Abbildung eines direkten Wirkeffektes bzw. fordern eine Erweiterung um Mixed-Methods-Ansätze.