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22. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

04.10. - 06.10.2023, Berlin

Wirksamkeit einer komplexen Intervention zur sektorenübergreifenden Versorgung psychosozial belasteter Familien (PATH): Ergebnisse zur Identifikation betroffener Familien durch Kinderärzt*innen

Meeting Abstract

  • Christian Schlett - Sektion für Versorgungsforschung und Rehabilitationsforschung, Institut für Medizinische Biometrie und Statistik, Medizinische Fakultät, Universitätsklinikum Freiburg, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, Freiburg im Breisgau, Deutschland
  • Manuela Glattacker - Sektion für Versorgungsforschung und Rehabilitationsforschung, Institut für Medizinische Biometrie und Statistik, Medizinische Fakultät, Universitätsklinikum Freiburg, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, Freiburg im Breisgau, Deutschland
  • Gloria Metzner - Sektion für Versorgungsforschung und Rehabilitationsforschung, Institut für Medizinische Biometrie und Statistik, Medizinische Fakultät, Universitätsklinikum Freiburg, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, Freiburg im Breisgau, Deutschland
  • Juergen M. Giesler - Sektion für Versorgungsforschung und Rehabilitationsforschung, Institut für Medizinische Biometrie und Statistik, Medizinische Fakultät, Universitätsklinikum Freiburg, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, Freiburg im Breisgau, Deutschland
  • Cindy Höhn - Sektion für Versorgungsforschung und Rehabilitationsforschung, Institut für Medizinische Biometrie und Statistik, Medizinische Fakultät, Universitätsklinikum Freiburg, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, Freiburg im Breisgau, Deutschland
  • Sabine Horstmann - Nationales Zentrum Frühe Hilfen, Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, Köln, Deutschland
  • Susanne Jünemann - Nationales Zentrum Frühe Hilfen, Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, Köln, Deutschland
  • Juliane van Staa - Nationales Zentrum Frühe Hilfen, Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, Köln, Deutschland
  • Klaus Kaier - Institut für Medizinische Biometrie und Statistik, Medizinische Fakultät, Universitätsklinikum Freiburg, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, Freiburg, Deutschland
  • Michael Barth - Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin, Universitätsklinikum Freiburg, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, Freiburg, Deutschland
  • Ilona Renner - Nationales Zentrum Frühe Hilfen, Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, Köln, Deutschland

22. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 04.-06.10.2023. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2023. Doc23dkvf222

doi: 10.3205/23dkvf222, urn:nbn:de:0183-23dkvf2221

Veröffentlicht: 2. Oktober 2023

© 2023 Schlett et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund: In Deutschland leben etwa 13% der Familien mit Kindern zwischen 0-3 Jahren unter psychosozial belastenden Bedingungen, welche die gesunde Entwicklung des Kindes gefährden können. Um die Vermittlung dieser Familien aus der niedergelassenen Pädiatrie in präventive Angebote der Frühen Hilfen zu verbessern, wurde die PATH-Intervention entwickelt und in Baden-Württemberg implementiert. Der erste Schritt zu einer besseren Vermittlung in die Frühen Hilfen besteht darin, psychosozial belastete Familien zu erkennen. Aus diesem Grund umfasst die PATH-Intervention neben interdisziplinären Qualitätszirkeln eine Schulung zur klinischen Fallfindung, die Anregungen für Kinderärzt*innen zur Exploration und Identifikation von psychosozialen Belastungen enthält.

Fragestellung: Verbessert die PATH-Intervention die Identifikation psychosozial belasteter Familien durch Kinderärzt*innen?

Methode: In einer quasiexperimentellen Studie mit Matched-Pair-Design wurden Kinderärzt*innen aus Baden-Württemberg, die an der PATH-Intervention teilgenommen haben (Interventionsgruppe, IG; N = 15), mit Kinderärzt*innen aus Bayern verglichen, die nicht an der PATH-Intervention teilgenommen haben (Kontrollgruppe, KG; N = 14). Die Kinderärzt*innen rekrutierten N = 424 Familien mit Kindern von 0 bis 3 Jahren, die zu U-Untersuchungen (U3-U7) in ihre Praxen kamen und gaben in einem Papierfragebogen an, ob sie die Familie als psychosozial belastet einschätzen. Zudem füllten die Familien einen Online-Fragebogen aus, der 23 psychosoziale Belastungen erfragte. Lag eine Belastung über dem zugehörigen Grenzwert, wies die Familie diesbezüglich einen Risikofaktor auf. Bei N = 293 Familien wurde auf Basis ihres Selbstberichts mindestens ein Risikofaktor für psychosoziale Belastungen ermittelt, weshalb sie als (zumindest geringfügig) psychosozial belastet eingestuft wurden. Wurden diese Familien von den Kinderärzt*innen ebenfalls als psychosozial belastet eingeschätzt, zählten sie als identifiziert. Die Datenanalyse erfolgte mit Hilfe generalisierter linearer gemischter Modelle.

Ergebnisse: Erwartungskonform wurde in der IG ein größerer Anteil der psychosozial belasteten Familien identifiziert (42%) als in der KG (23%). Der Unterschied betrug 19 Prozentpunkte und war signifikant (OR = 2.77, p = .02). Explorative Analysen zeigten zudem, dass der Interventionseffekt bei Familien, für die 1, 2, 3 bzw. 4 Risikofaktoren ermittelt wurden, ähnlich groß war wie in der Gesamtstichprobe belasteter Familien. Erst ab 5 Risikofaktoren fiel der Effekt kleiner aus, wobei nur sehr wenige Familien (7%) so viele Risikofaktoren aufwiesen.

Diskussion: Die Ergebnisse liefern Evidenz dafür, dass die PATH-Intervention die Identifikation psychosozial belasteter Familien durch Kinderärzt*innen verbessert. Durch die Intervention konnte etwa eine von fünf belasteten Familien zusätzlich identifiziert werden.

Implikation für die Versorgung: Die Teilnahme an der PATH-Intervention verbessert die Identifikation psychosozial belasteter Familien durch Kinderärzt*innen. Damit ist eine wesentliche Voraussetzung geschaffen, um diese Familien in passgenaue Unterstützungsangebote wie die der Frühen Hilfen zu vermitteln.

Förderung: Innovationsfonds/Versorgungsforschung; 01VSF19039