gms | German Medical Science

22. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

04.10. - 06.10.2023, Berlin

Organisationale Einflussfaktoren bei Kaiserschnittraten: Eine Paneldatenanalyse deutscher geburtshilflicher Abteilungen

Meeting Abstract

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  • Arno Stöcker - Universität zu Köln, Institut für Medizinsoziologie, Versorgungsforschung und Rehabilitationswissenschaft (IMVR), Köln, Deutschland; Universität zu Köln, Zentrum für Versorgungsforschung Köln (ZVFK), Köln, Deutschland
  • Holger Pfaff - Universität zu Köln, Köln, Deutschland
  • Nadine Scholten - Universität zu Köln, Köln, Deutschland
  • Ludwig Kuntz - Universität zu Köln, Köln, Deutschland

22. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 04.-06.10.2023. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2023. Doc23dkvf307

doi: 10.3205/23dkvf307, urn:nbn:de:0183-23dkvf3077

Veröffentlicht: 2. Oktober 2023

© 2023 Stöcker et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund/Stand der Forschung: Etwa 1/3 aller Geburten in Deutschland sind Kaiserschnittgeburten. Bei den Indikationen für einen Kaiserschnitt lassen sich absolute und relative Indikationen unterscheiden, wobei die vaginale Geburt grundsätzlich als vorteilhafter für Mutter und Kind angesehen wird. In Deutschland werden überwiegend relative Indikationen für einen Kaiserschnitt angeführt. Als Einflussfaktoren auf die Kaiserschnittrate werden immer wieder auch organisationale Faktoren wie der Personalschlüssel von Ärzten und Hebammen und die Anzahl der Geburten in der jeweiligen Fachabteilung diskutiert.

Fragestellung und Zielsetzung: Besteht ein Zusammenhang auf Fachabteilungsebene zwischen der Anzahl der Geburten, der Anzahl der Hebammen pro Geburt und/oder der Anzahl der Ärzte pro Geburt und der Kaiserschnittrate in Deutschland?

Methode: Die Analyse basiert auf den Qualitätsberichten deutscher Krankenhäuser für die Berichtsjahre 2015-2019. Die Anzahl an Hebammen, Ärzten und Geburten wird jährlich kumuliert auf Fachabteilungsebene aufgeschlüsselt. Die Daten zur risikoadjustierten Kaiserschnittrate stammen aus dem Qualitätsindikator, der das Verhältnis der beobachteten zu den erwarteten Kaiserschnitten misst. Um fallzahlbedingte Unterschiede in der absoluten Personalausstattung zwischen den Stationen zu berücksichtigen, wurden die vollzeitäquivalenten Personalstellen der Hebammen und Ärzte durch die Anzahl der Geburten auf Station dividiert. Um krankenhaus- und stationsspezifische Besonderheiten zu berücksichtigen, wurde ein Fixed-Effects-Ansatz mit zeit- und fachabteilungsspezifischen Effekten gewählt. Zur Analyse wurden verschiedene uni- und multivariate Panelmodelle gerechnet.

Ergebnisse: Fachabteilungen mit vollständigen Daten zu den Untersuchungsvariablen decken ca. 80% aller stationären Geburten im Untersuchungszeitraum ab. Beobachtungen von über 2.400 geburtshilflichen Fachabteilungen mit durchschnittlich je 1.173 Geburten und 362 Kaiserschnitten pro Jahr gingen in die Analyse ein. Für diesen Zeitraum wurden pro Jahr durchschnittlich 12 vollzeitäquivalente Ärzte und ca. 11 Hebammen pro Abteilung dokumentiert. Im multivariaten Modell zeigt sich ein signifikant positiver Effekt der Variable Ärzte pro Geburt auf die Kaiserschnittrate. Die aufgeklärte Varianz in der Analyse ist gering.

Diskussion: Der positive Zusammenhang zwischen einer höheren Arztanzahl pro Geburt und einer höheren Kaiserschnittrate kann nicht ohne weiteres kausal interpretiert werden, da die Daten auf Fachabteilungsebene in kumulierter, jährlicher Form vorliegen. Mögliche Erklärungen können z.B. in einem veränderten ärztlichen Verhalten bei steigender Personalausstattung liegen oder auch darin, dass Fachabteilungen aus exogenen Gründen mehr Kaiserschnittgeburten durchführen und deshalb mehr ärztliches Personal einstellen.

Implikation für die Versorgung: Bei einem (ungeplanten) Anstieg der Kaiserschnittrate kann der ärztliche Personalschlüssel in geburtshilflichen Abteilungen in den Blick genommen werden. Es kann aber nicht linear geschlossen werden, dass eine Senkung der Arztdichte pro Geburt zu einer Senkung der Kaiserschnittrate führt.