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22. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

04.10. - 06.10.2023, Berlin

Medikamenten Adhärenz von jungen Patient*innen nach ST-Hebungsinfarkt – geschlechtsspezifische Unterschiede in der pharmazeutischen Versorgung

Meeting Abstract

  • Jeanette Köppe - WWU Münster, Institut für Biometrie und Klinische Forschung (IBKF), Münster, Deutschland
  • Jannik Feld - WWU Münster, Institut für Biometrie und Klinische Forschung (IBKF), Münster, Deutschland
  • Christiane Engelbertz - Universitätsklinikum Münster, Klinik für Kardiologie I: Koronare Herzkrankheit, Herzinsuffizienz und Angiologie, Münster, Deutschland
  • Stefan Andreas Lange - Universitätsklinikum Münster, Klinik für Kardiologie I: Koronare Herzkrankheit, Herzinsuffizienz und Angiologie, Münster, Deutschland
  • Lena Makowski - Universitätsklinikum Münster, Klinik für Kardiologie I: Koronare Herzkrankheit, Herzinsuffizienz und Angiologie, Münster, Deutschland
  • Thomas Ruhnke - Wissenschaftliches Institut der AOK, Berlin, Deutschland
  • Patrik Dröge - Wissenschaftliches Institut der AOK, Berlin, Deutschland
  • Christian Günster - Wissenschaftliches Institut der AOK, Berlin, Deutschland
  • Joachim Gerß - WWU Münster, Institut für Biometrie und Klinische Forschung (IBKF), Münster, Deutschland
  • Holger Reinecke - Universitätsklinikum Münster, Klinik für Kardiologie I: Koronare Herzkrankheit, Herzinsuffizienz und Angiologie, Münster, Deutschland
  • Alicia Jeanette Fischer - Universitätsklinikum Münster, Klinik für Kardiologie III: Angeborene Herzfehler (EMAH) und Klappenerkrankungen, Münster, Deutschland

22. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 04.-06.10.2023. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2023. Doc23dkvf353

doi: 10.3205/23dkvf353, urn:nbn:de:0183-23dkvf3533

Veröffentlicht: 2. Oktober 2023

© 2023 Köppe et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund und Stand der Forschung: Junge Frauen haben im Vergleich zu Männern nach einem ST-Hebungsinfarkt (STEMI) ein erhöhtes Risiko für einen schlechteren Verlauf [1].

Fragestellung und Zielsetzung, Hypothese: Ziel dieser Studie war es daher herauszufinden, ob bei jungen Patient*innen Unterschiede zwischen den Geschlechtern in der medikamentösen Versorgung nach STEMI bestehen und diese unterschiedlich von einer entsprechenden Therapie profitieren.

Methode: Die Studie ist Teil des vom GBA geförderten GenderVasc-Projekts. Abrechnungsdaten der AOK wurden retrospektiv analysiert. Die Studie schließt alle Patienten (Alter 18–59 Jahre) ein, die 2010–2018 einen stationären Aufenthalt mit STEMI als Hauptdiagnose aufwiesen. Die pharmazeutische Versorgung nach STEMI wurde über Mehrstadienmodelle abgebildet. Untersucht wurde die Verschreibung von oralen Antikoagulanzien (OAK) und/oder Thrombozytenaggregationshemmer (TAH), Statinen, Beta Blockern und ACE-Hemmer/Angiotensin-II-Rezeptorblockern (ACE-ATII). Multivariable Cox Regressionen mit zeitabhängigen Co-Variablen wurden genutzt, um den der Einfluss der Medikamente auf das Gesamtüberleben (OS) zu analysieren. Unterschiede zwischen den Geschlechtern wurden über Interaktionsterme berechnet.

Ergebnisse: Insgesamt konnten N=59.401 Patient*innen in die Studie eingeschlossen werden, wobei 19% Frauen waren. Während der Nachbeobachtungszeit wurde ein Abfall der Verschreibungsraten beobachtet: Erhielten 180 Tage nach STEMI noch 80,3% der Frauen und 82,9% der Männer eine vollständige sekundäre Prophylaxe mit ACE-ATII, Beta Blockern, Statinen und OAK/TAH, so sind es 5 Jahre danach nur noch 36,6% der Frauen und 40,9% der Männer. Neben der niedrigeren Medikamenten-Adhärenz wurde bei Frauen ein erhöhtes Risiko für Tod innerhalb der ersten 30- und 90-Tage nach STEMI beobachtet (beide p<0,001). Überleben die Frauen die ersten 90-Tage, konnte keine Risikoerhöhung im Vergleich zu den Männern beobachtet werden (p>0.05). Darüber hinaus zeigte sich nach Anpassung an die Risikofaktoren der Patient*innen ein eindeutiger Zusammenhang zwischen leitliniengerechter Therapie und Gesamtüberleben. Der positive Zusammenhang nahm mit der Anzahl der verordneten Medikamente zu. Zudem wurden geschlechtsspezifische Unterschiede sichtbar, insbesondere dann wenn alle vier Medikamente verschrieben wurden. Bei einer vollständigen leitliniengerechten Therapie betrug die HR für das Gesamtüberleben jedoch 0,22 (95% CI 0,19–0,26) bei Frauen gegenüber einer HR von 0,31 (95% CI 0,28–0,33) bei Männern (pint <0,001).

Diskussion: Die langfristige Adhärenz von Leitliniengerechter Therapie nach STEMI war gering in beiden Geschlechtern, jedoch deutlich geringer bei Frauen unter 60 Jahren. Demgegenüber konnte jedoch beobachtet werden, dass Frauen von einer vollständigen sekundären Prophylaxe mehr profitieren als Männer.

Implikation für die Versorgung: Da der unzureichende Einsatz von leitliniengerechter Medikation zu dem ungünstigen Outcome bei jungen Patient*innen beiträgt, sollte auch für diese junge Risikogruppe eine hinreichende Sekundärprophylaxe sichergestellt werden.

Förderung: Innovationsfonds/Versorgungsforschung; 01VSF18051


Literatur

1.
Fischer AJ, Feld J, Makowski L, Engelbertz C, Kühnemund L, Günster C, Dröge P, Ruhnke T, Gerß J, Freisinger E, Reinecke H, Köppe J. ST-Hebungs-Myokardinfarkte als Erstereignis. Geschlechts- und altersabhängige Sterblichkeit. Dtsch Arztebl Int. 2022;119:285-92. DOI: 10.3238/arztebl.m2022.0161 Externer Link