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22. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

04.10. - 06.10.2023, Berlin

Die Häufigkeit diagnostizierter psychischer Störungen in der Erwerbsbevölkerung: Ein Vergleich zwischen Erwerbstätigen und Arbeitslosen

Meeting Abstract

  • Birte Burger - AOK – Die Gesundheitskasse für Niedersachsen, Hannover, Deutschland
  • K. Kahl - Medizinische Hochschule Hannover, Hannover, Deutschland
  • Ivo Heitland - Medizinische Hochschule Hannover, Hannover, Deutschland
  • Britta Stapel - Medizinische Hochschule Hannover, Hannover, Deutschland
  • Sveja Eberhard - AOK – Die Gesundheitskasse für Niedersachsen, Hannover, Deutschland
  • Jona Theodor Stahmeyer - AOK – Die Gesundheitskasse für Niedersachsen, Hannover, Deutschland

22. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 04.-06.10.2023. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2023. Doc23dkvf360

doi: 10.3205/23dkvf360, urn:nbn:de:0183-23dkvf3600

Veröffentlicht: 2. Oktober 2023

© 2023 Burger et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund und Stand der Forschung: Die Ergebnisse zahlreicher Studien sprechen für eine Assoziation zwischen Arbeitslosigkeit und Gesundheit. Laut einer Analyse der Bertelsmann Stiftung aus dem Jahr 2017 haben Arbeitslose gegenüber Erwerbstätigen eine 2,6-fach erhöhte Wahrscheinlichkeit, an einer psychischen Störung erkrankt zu sein. Auf Grundlage von Routinedaten wurden in Bezug auf einzelne psychische Störungen wie Depression oder Burn-Out ebenfalls bereits Unterschiede in den Diagnosehäufigkeiten zwischen Erwerbstätigen und Arbeitslosen festgestellt. Ein aktueller Überblick der Prävalenzen bezogen auf die unterschiedlichen Untergruppen psychischer Störungen liegt unserer Kenntnis nach nicht vor.

Fragestellung und Zielsetzung: Ziel der Analyse ist ein Vergleich von Diagnosehäufigkeiten psychischer Störungen nach Erwerbsstatus. Betrachtet wird der deskriptive Unterschied in den kodierten Diagnosen bei Erwerbstätigen und Arbeitslosen getrennt nach ALG-I- und ALG-II-Empfängern.

Methode: Die Untersuchung erfolgte in Form einer Querschnittsanalyse auf Basis von Routinedaten einer gesetzlichen Krankenversicherung. Eingeschlossen wurden alle Versicherten zwischen 18 und 60 Jahren, die im Jahr 2019 durchgängig versichert waren. Die Kohorte wurde anhand ihrer Versicherungsart den Gruppen Erwerbstätige, ALG-I-Empfänger und ALG-II-Empfänger zugeordnet. Für diese wurde die Häufigkeit von psychischen Diagnosen nach den Unterkapiteln der „Psychischen und Verhaltensstörungen“ des ICD-10-GM (F00-F99) bestimmt. Versicherte galten als erkrankt, wenn eine stationäre Haupt- oder Nebendiagnose oder eine gesicherte ambulante Diagnose in mindestens zwei Quartalen (M2Q-Kriterium) kodiert wurde.

Ergebnisse: Es wurden 1.218.445 Versicherte mit einem Durchschnittsalter von 40,0 Jahren (40,3 bei Erwerbstätigen, 41,2 bei ALG-I- und 38,2 bei ALG-II-Empfängern) eingeschlossen. 54,4% der Versicherten waren männlich (55,4% bei Erwerbstätigen, 56,1% bei ALG-I- und 49,1% bei ALG-II-Empfängern). Insgesamt lag bei 20,9% der Erwerbstätigen, 43,1% der ALG-I- und 35,8% der ALG-II-Empfänger im Jahr 2019 eine diagnostizierte psychische Störung vor. Am häufigsten waren die Versicherten von Diagnosen der neurotischen, Belastungs- und somatoformen Störungen (F40-F49) betroffen, die bei 11,0% der Erwerbstätigen, 26,1% der ALG-I- sowie 19,1% der ALG-II-Empfänger kodiert wurden. Als zweithäufigste Gruppe folgten die Affektiven Störungen (F30-F39) mit 7,7% bei Erwerbstätigen, 23,3% bei ALG-I- und 16,7% bei ALG-II-Empfängern.

Diskussion: Die Ergebnisse zeigen einen deutlichen Unterschied in den Diagnosehäufigkeiten von psychischen Störungen zwischen Erwerbstätigen und Arbeitslosen. Fraglich ist, ob das vermehrte Auftreten von psychischen Störungen bei ALG-I- und ALG-II-Empfängern als Ursache oder Folge der Arbeitslosigkeit eingeordnet werden kann. In weiteren Studien sollte untersucht werden, inwieweit Unterschiede im Zugang bzw. in der Inanspruchnahme spezifischer Versorgungsleistungen bestehen.

Implikation für die Versorgung: Soziale Aspekte und spezifische Versorgungsbedarfe sollten in der alltäglichen ärztlichen Versorgung Berücksichtigung finden.