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22. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

04.10. - 06.10.2023, Berlin

Reduktion von Agitation und Aggression bei Menschen mit Demenz und Mild Cognitive Impairment (MCI) in ambulant betreuten Wohngemeinschaften – zentrale Ergebnisse der cluster-randomisierten kontrollierten Studie DemWG

Meeting Abstract

  • Antonia Keck - Zentrum für Medizinische Versorgungsforschung, Psychiatrische und Psychotherapeutische Klinik, Uniklinikum Erlangen, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU), Erlangen, Deutschland
  • André Kratzer - Zentrum für Medizinische Versorgungsforschung, Psychiatrische und Psychotherapeutische Klinik, Uniklinikum Erlangen, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU), Erlangen, Deutschland
  • Janissa Altona - Institut für Public Health und Pflegeforschung (IPP), Universität Bremen, Bremen, Deutschland
  • Susanne Stiefler - Institut für Public Health und Pflegeforschung (IPP), Universität Bremen, Bremen, Deutschland
  • Annika Schmidt - Institut für Public Health und Pflegeforschung (IPP), Universität Bremen, Bremen, Deutschland
  • Elmar Gräßel - Zentrum für Medizinische Versorgungsforschung, Psychiatrische und Psychotherapeutische Klinik, Uniklinikum Erlangen, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU), Erlangen, Deutschland
  • Carolin Donath - Zentrum für Medizinische Versorgungsforschung, Psychiatrische und Psychotherapeutische Klinik, Uniklinikum Erlangen, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU), Erlangen, Deutschland
  • Karin Wolf-Ostermann - Institut für Public Health und Pflegeforschung (IPP), Universität Bremen, Bremen, Deutschland

22. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 04.-06.10.2023. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2023. Doc23dkvf454

doi: 10.3205/23dkvf454, urn:nbn:de:0183-23dkvf4546

Veröffentlicht: 2. Oktober 2023

© 2023 Keck et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund und Stand der Forschung: Ambulant betreute Wohngemeinschaften (abWGs) werden häufig von Menschen mit Demenz und Mild Cognitive Impairment (MCI) in Anspruch genommen. Diese Zielgruppe hat ein erhöhtes Risiko für stationäre Krankenhausaufenthalte, welche mit negativen Auswirkungen für die Betroffenen, deren Angehörige und das Gesundheitssystem assoziiert sind. Psychische und Verhaltenssymptome bei Demenz (engl. Behavioral and Psychological Symptoms of Dementia, BPSD) wie Aggression oder Unruhe gelten als Risikofaktor für Krankenhauseinweisungen und werden von Betroffenen, Angehörigen und Pflegenden oft als sehr belastend erlebt.

Fragestellung und Zielsetzung, Hypothese: Ein Ziel der DemWG-Studie war die Reduktion von BPSD mittels komplexer Intervention bei Menschen mit Demenz bzw. MCI.

Methode: DemWG war eine längsschnittliche, multizentrische, clusterrandomisiert-kontrollierte Mixed-Methods-Studie. Die komplexe Intervention bestand aus drei Bausteinen: (A) Fortbildung für abWG-Mitarbeitende und Angehörige, (B) digitale Fortbildung für Hausärzt:innen der abWGs und (C) psychosoziale Gruppenintervention MAKS-mk+ für die Mieter:innen. Die Datenerhebung erfolgte zur Baseline (t0), nach der sechsmonatigen Intervention (t1), sowie 12 (t2) und 18 (t3) Monate nach Baseline. Die Stichprobe bestand zu t0 aus N = 341 Mieter:innen mit kognitiven Einschränkungen aus 97 deutschen abWGs. BPSD wurden mit der Kurzform des Cohen-Mansfield Agitation Inventory (CMAI-SF) durch geschulte Pflegepersonen in den abWGs gemessen.

Ergebnisse: Das adjustierte Generalized Estimating Equations Modell ergab zu t1 einen signifikant geringeren CMAI-SF-Score in der IG als in der KG. Über t1 hinaus zeigten sich keine langfristigen statistisch signifikanten Effekte im CMAI-SF-Score, jedoch konnte deskriptiv eine Zunahme von BPSD in der KG bei gleichbleibend geringer ausgeprägten BPSD in der IG verzeichnet werden.

Diskussion: Die Reduktion von BPSD in der IG ist ein klinisch relevantes Ergebnis, da BPSD häufig Ausdruck von unerfüllten Bedürfnissen („unmet needs“) bei Menschen mit Demenz und MCI sind. Die Verringerung von BPSD stellt damit zugleich eine Verbesserung der Lebensqualität von MmD, Angehörigen und Pflegepersonen dar. Das Ausbleiben längerfristiger signifikanter Effekte kann auf sinkende Fallzahlen im Studienverlauf und eine damit verbundene abnehmende Testpower zurückgeführt werden.

Implikation für die Versorgung: Durch die komplexe Intervention wurden BPSD bei Menschen mit Demenz und MCI in abWGs verringert. Damit konnte zur Verbesserung der Versorgungs- und Lebenssituation sowohl aus gesundheitsökonomischer Perspektive als auch aus der Perspektive von Betroffenen, Angehörigen und Pflegepersonen beigetragen werden. Eine regelhafte Integration der komplexen Intervention in den Versorgungsalltag wird empfohlen.

Förderung: Innovationsfonds/Versorgungsforschung; 01VSF18054