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22. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

04.10. - 06.10.2023, Berlin

Komplex erkrankte PatientInnen – ein Stiefkind der ambulanten psychotherapeutischen Versorgung? Analysen von BARMER-Daten

Meeting Abstract

  • Soufiane Filali Bouami - aQua – Institut für angewandte Qualitätsförderung und Forschung im Gesundheitswesen GmbH, Göttingen, Deutschland
  • Samuel Werner - Universitätshauptgebäude der Justus-Liebig-Universität Gießen, Justus-Liebig-Universität Gießen, Gießen, Deutschland
  • Hanna Kampling - Universitätshauptgebäude der Justus-Liebig-Universität Gießen, Justus-Liebig-Universität Gießen, Gießen, Deutschland
  • Johannes Kruse - Universitätshauptgebäude der Justus-Liebig-Universität Gießen, Justus-Liebig-Universität Gießen, Gießen, Deutschland
  • Thomas Grobe - aQua – Institut für angewandte Qualitätsförderung und Forschung im Gesundheitswesen GmbH, Göttingen, Deutschland
  • Ursula Marschall - BARMER Institut für Gesundheitssystemforschung, Wuppertal, Deutschland

22. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 04.-06.10.2023. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2023. Doc23dkvf489

doi: 10.3205/23dkvf489, urn:nbn:de:0183-23dkvf4894

Veröffentlicht: 2. Oktober 2023

© 2023 Bouami et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund und Stand der Forschung: Ziel der Reform der Psychotherapierichtlinie (PT-RL) im Jahre 2017 war es unter anderem den Zugang zu ambulanter Psychotherapie zu verbessern. Im Rahmen des ES-RiP-Projektes (FKZ: 01VSF19004) erfolgte eine umfassende Evaluation der Strukturreform der PT-RL mit besonderem Fokus auf PatientInnen mit komplexen im Vergleich zu nicht-komplexen Störungen (kE vs. nkE).

Fragestellung und Zielsetzung, Hypothese: Teilstudie I des ES-RiP-Projektes überprüfte, inwieweit die Ziele der Reform der PT-RL in der häufigen, aber bislang besonders unterversorgten Gruppe der kE erreicht wurden. (AH1) Bei kE hat innerhalb von zwei Jahren nach Einführung der Reform die Inanspruchnahme der ambulanten psychotherapeutischen Sprechstunde und Behandlung stärker zugenommen als bei nkE. (AH2) Bei kE ist zwei Jahre nach Einführung der Reform die Wartezeit auf eine PT stärker rückläufig als bei nkE.

Methode: Basierend auf Daten der BARMER wurden Analysen zur Inanspruchnahme in den primären Beobachtungsjahren 2015 (prä-Reform) und 2018 (post-Reform) bei komplex erkrankten und nicht-komplex erkrankten PatientInnen durchgeführt. Berichtet werden die Ergebnisse mit einer bevölkerungsbezogenen Gewichtung von Beobachtungen, welche eine Abschätzung von unterschiedlichen absoluten Betroffenenzahlen für Deutschland erlauben.

Ergebnisse: Insgesamt findet sich sowohl bei kE als auch bei nkE eine Zunahme von ambulanten psychotherapeutischen Leistungen. Mit Blick auf die Inanspruchnahmeraten eines Erstgesprächs zeigt sich, dass diese in beiden Gruppen post-Reform (2018) höher ist als basierend auf geschlechts-, alters-, gruppen- sowie wohnortspezifischen Inanspruchnahmeraten prä-Reform (2015) zu erwarten gewesen wäre. Die Wartezeit auf eine Richtlinien-Psychotherapie hat sich tendenziell verlängert und liegt knapp über 3 Monate, wobei während der Wartezeit zahlreiche unterstützende Leistungen in Anspruch genommen werden.

Diskussion: In den Abrechnungsdaten der BARMER findet sich hinsichtlich der Inanspruchnahme von ambulanten psychotherapeutischen Leistungen nur eine marginale Verbesserung für komplex erkrankte PatientInnen im Zuge der Reform. Es ist eine Weiterentwicklung der Reform notwendig, um die 2017 anvisierten Ziele zu adressieren und diese im Versorgungsgeschehen deutlicher abzubilden.

Implikation für die Versorgung: Zusammenfassend zeigen die Ergebnisse, dass sich die psychotherapeutische Versorgung in den vergangenen Jahren auch im Rahmen der Strukturreform deutlich weiterentwickelt hat. Es bedarf aber weiterer Entwicklungsschritte, um die Intentionen der Reform in der Breite wirksam werden zu lassen und eine bedarfsgerechte ambulante Versorgung insbesondere für die unterversorgte Risikogruppe der kE, die zugleich unter einer psychischen Störung und einer beeinträchtigenden chronischen körperlichen Erkrankung leiden, zu erreichen.

Förderung: Innovationsfonds/Versorgungsforschung; 01VSF19004