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22. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

04.10. - 06.10.2023, Berlin

Ist die Wartezeit ein zentrales Problem in der Psychotherapie? Analysen einer repräsentativen Inanspruchnahme-Population

Meeting Abstract

  • Hanna Kampling - Klinik für Psychosomatik und Psychotherapie – Universitätsklinikum Gießen und Marburg – Justus-Liebig-Universität Gießen, Gießen, Deutschland
  • Sandra Zara - Klinik für Psychosomatik und Psychotherapie – Universitätsklinikum Gießen und Marburg – Justus-Liebig-Universität Gießen, Gießen, Deutschland
  • Samuel Werner - Klinik für Psychosomatik und Psychotherapie – Universitätsklinikum Gießen und Marburg – Justus-Liebig-Universität Gießen, Gießen, Deutschland
  • Hans-Christoph Friederich - Klinik für Allgemeine Innere Medizin und Psychosomatik – Universitätsklinikum Heidelberg, Heidelberg, Deutschland
  • Gereon Heuft - Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie – Universitätsklinikum Münster, Münster, Deutschland
  • Martin Liebau - USUMA GmbH – Institut für Markt- und Sozialforschung, Berlin, Deutschland
  • Jürgen Schunter - USUMA GmbH – Institut für Markt- und Sozialforschung, Berlin, Deutschland
  • Mechthild Hartmann - Klinik für Allgemeine Innere Medizin und Psychosomatik – Universitätsklinikum Heidelberg, Heidelberg, Deutschland
  • Johannes Kruse - Klinik für Psychosomatik und Psychotherapie – Universitätsklinikum Gießen und Marburg – Justus-Liebig-Universität Gießen, Gießen, Deutschland; Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie – Universitätsklinikum Gießen und Marburg – Philipps-Universität Marburg, Marburg, Deutschland

22. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 04.-06.10.2023. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2023. Doc23dkvf510

doi: 10.3205/23dkvf510, urn:nbn:de:0183-23dkvf5108

Veröffentlicht: 2. Oktober 2023

© 2023 Kampling et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund und Stand der Forschung: Die Strukturreform der Psychotherapie-Richtlinie 2017 verfolgte unter anderem das Ziel, Wartezeiten zu reduzieren und die Zugangswege für vulnerable PatientInnengruppen wie komplex erkrankte PatientInnen (gleichzeitiges Vorliegen einer psychischen Störung und chronischen somatischen Erkrankung) zu erleichtern.

Fragestellung und Zielsetzung: Ziel der Studie war es, Psychotherapie-Inanspruchnahme-PatientInnen hinsichtlich ihrer Wartezeit auf und Inanspruchnahme von ambulanter Psychotherapie mit besonderem Fokus auf komplex erkrankte PatientInnen zu untersuchen.

Methode: Im Rahmen von Teilstudie II des ES-RiP-Projektes (Innovationsfond: 01VSF19004) erfolgte zur Ermittlung einer repräsentativen Psychotherapie-Inanspruchnahme-Population zwischen Oktober 2021 und Januar 2022 eine bevölkerungsbezogene Befragung (N = 32.573 Screenings) durch die USUMA GmbH. Eingeschlossen wurden Befragte im Alter zwischen 18 bis 79 Jahre mit hinreichenden deutschen Sprachkenntnisse sowie informierter verbaler Einwilligung zur Studienteilnahme, die prä- bzw. post-Reform mindestens eine psychotherapeutische Leistung in Anspruch genommen hatten. Ausschlusskriterien umfassten Hirnorganische Störungen und Intelligenzminderung. Die statistischen Auswertungen erfolgten explorativ und deskriptiv in SPSS.

Ergebnisse: Basierend auf den Selbstangaben der Befragten betrug die Wartezeit auf ein Erstgespräch prä- wie post-Reform für die Mehrheit etwa vier Wochen (54,8% bzw. 52,0%). Auch hinsichtlich regelmäßiger Psychotherapie-Termine wurde prä-Reform von 67,0% und post-Reform von 58,5% eine etwa vierwöchige Wartezeit angegeben. Sehr lange Wartezeiten (> 6 Monate) wurden kaum benannt. Entsprechend wurde auch die Zufriedenheit mit der Wartezeit von rund 85% der Befragten als gut bis sehr gut bewertet. Im prä- zu post-Reform-Vergleich zeigte sich keine Veränderung der Wartezeit. Auch fand sich keine Veränderung im relativen Anteil der komplex erkrankten PatientInnen von prä- zu post-Reform. Komplex erkrankte PatientInnen nahmen jedoch post-Reform nach dem Erstgespräch signifikant seltener eine weiterführende Psychotherapie in Anspruch als prä-Reform.

Diskussion: Die häufig berichteten sehr langen Wartezeiten auf eine ambulante Psychotherapie konnten vom weit überwiegenden Teil der befragten PatientInnen nicht bestätigt werden. Es besteht in weiten Teilen eine hohe Zufriedenheit mit der Wartezeit und der Behandlung, wobei komplex erkrankte PatientInnen in der Versorgung weiterhin unterrepräsentiert sind.

Implikation für die Versorgung: Um insbesondere der Gruppe der komplex erkrankten PatientInnen einen niederschwelligeren Zugang zur ambulanten psychotherapeutische Behandlung zu ermöglichen, sind über die Reform hinaus spezifische Versorgungsangebote nötig.

Förderung: Innovationsfonds/Versorgungsforschung; 01VSF19004