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22. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

04.10. - 06.10.2023, Berlin

Evaluation der ersten Primärversorgungseinheiten in der Steiermark: eine retrospektive Beobachtungsstudie im Kontrollgruppendesign

Meeting Abstract

  • Sandra Neubauer - EPIG GmbH – Entwicklungs- und Planungsinstitut für Gesundheit, Graz, Österreich
  • Thomas Augustin - EPIG GmbH – Entwicklungs- und Planungsinstitut für Gesundheit, Graz, Österreich
  • Christa Peinhaupt - EPIG GmbH – Entwicklungs- und Planungsinstitut für Gesundheit, Graz, Österreich
  • Wolfgang Habacher - EPIG GmbH – Entwicklungs- und Planungsinstitut für Gesundheit, Graz, Österreich

22. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 04.-06.10.2023. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2023. Doc23dkvf547

doi: 10.3205/23dkvf547, urn:nbn:de:0183-23dkvf5476

Veröffentlicht: 2. Oktober 2023

© 2023 Neubauer et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund und Stand der Forschung: Multiprofessionelle sowie interdisziplinäre Primärversorgungseinheiten (PVE) sind in Österreich eine neue Organisationsform zur Stärkung der ambulanten allgemeinmedizinischen Gesundheitsversorgung. In der Steiermark wurde im Jahr 2016 mit der Implementierung der ersten PVE begonnen. Bis Ende des Jahres 2020 waren zehn steirische PVE eröffnet.

Fragestellung und Zielsetzung, Hypothese: Ziel der Evaluation war es, die Versorgungswirksamkeit der ersten PVE in der Steiermark sowie ihre Auswirkungen auf umliegende Versorgungsstrukturen und das Verhalten der Patient:innen im Gesundheitswesen quantitativ zu bewerten.

Methode: Es erfolgte eine retrospektive Analyse von Einzelfalldaten aller großen österreichischen Krankenversicherungsträger zu allen Patient:innen, die innerhalb des Beobachtungszeitraums von 2016 bis 2020 extra- oder intramural versorgt wurden. Neben deskriptiven Analysen wurde ein Kontrollgruppenvergleich durchgeführt. Zur Identifikation von statistischen Zwillingen aus der Gruppe der Patient:innen ohne Konsultation einer PVE wurde eine Kombination aus Exact Matching und Propensity Score Matching herangezogen. Matchkriterien waren soziodemographische Merkmale sowie das Inanspruchnahmeverhalten der Patient:innen vor Einrichtung der ersten PVE. Alle statistischen Tests wurden auf dem Signifikanzniveau 0,05 durchgeführt.

Ergebnisse: Bei den Fachbereichen Innere Medizin, Orthopädie, Dermatologie und Pulmologie war im zeitlichen Verlauf ein statistisch signifikanter relativer Rückgang der Facharztkontakte innerhalb der Gruppe der PVE-Patient:innen im Vergleich zur Kontrollgruppe zu beobachten. In Fachbereichen, die allgemeinmedizinisch nicht kompensiert werden können (z.B. Augenheilkunde, Frauenheilkunde oder Chirurgie), zeigten sich keine relevanten Gruppenunterschiede. Ebenso war in der PVE-Gruppe eine statistisch signifikante relative Reduktion an Patient:innen mit Polypharmazie im Vergleich zur Kontrollgruppe zu verzeichnen. Hinsichtlich der Häufigkeit stationärer Aufenthalte liefert die Evaluation Hinweise darauf, dass PVE-Patient:innen im Vergleich zur Kontrollgruppe tendenziell weniger stationäre Aufenthalte haben, wenn auch die Gruppenunterschiede statistisch nicht signifikant waren.

Diskussion: Der Beobachtungszeitraum der Evaluation war relativ kurz und fällt in die Startphase der Implementierung der neuen PVE in der Steiermark. Dennoch zeigen die Ergebnisse bereits positive Effekte im Sinne der intendierten Wirkung der PVE. Ob diese Effekte tatsächlich nachhaltig sind, muss mittel- und längerfristig beobachtet werden, weshalb die Evaluation in ein Monitoring übergeführt wurde.

Implikation für die Versorgung: Die Evaluationsergebnisse liefern Hinweise darauf, dass die Einrichtung von PVE eine Veränderung der Versorgungsmuster herbeiführen kann, in dem Sinne, dass Zuweisungen durch eine vermehrte fallabschließende Behandlung in den PVE seltener notwendig werden. Diese Hinweise sind jedoch noch eingehend zu validieren.