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22. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

04.10. - 06.10.2023, Berlin

Auswerten und Ausbilden – zur Relevanz von Interpretationsgruppen für die qualitative Versorgungsforschung

Meeting Abstract

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  • Andreas Wagenknecht - Institut für Medizinische Soziologie und Rehabilitationswissenschaft, Charité, Berlin, Deutschland
  • Nadja-Raphaela Baer - Institut für Medizinische Soziologie und Rehabilitationswissenschaft, Charité, Berlin, Deutschland

22. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 04.-06.10.2023. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2023. Doc23dkvf572

doi: 10.3205/23dkvf572, urn:nbn:de:0183-23dkvf5726

Veröffentlicht: 2. Oktober 2023

© 2023 Wagenknecht et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund und Stand der Forschung: Qualitative Interpretationsgruppen (QI) stellen eine zentrale Praxis der qualitativen Sozialforschung dar. Sie bieten einen Interaktionsraum zur intersubjektiven Auswertung qualitativen Datenmaterials. Zur Methodologie und praktischen Ausgestaltung von QI sowie deren Relevanz für die Versorgungsforschung (VF) mangelt es bis dato an einem wissenschaftlichen Diskurs.

Fragestellung und Zielsetzung (Hypothese n.a.): Auf methodologischer sowie empirischer Ebene beleuchtet dieser Beitrag die Relevanz von QI für die qualitative VF, erörtert deren Potentiale und diskutiert praktische Hürden. Dabei werden neben erkenntnistheoretischen Grundlagen verschiedene Modi Operandi von QI und deren Herausforderungen diskutiert.

Methode: Dieser Beitrag beruht auf einer Synthese des methodisch-methodologischen Diskurses (Literaturrecherche) sowie der eigenen Praxis im Rahmen unseres Interpretationszirkels.

Ergebnisse: QI können zugleich als Mittel der Auswertung und Ausbildung dienen:

  • Die Entwicklung von Lesarten und Erkenntnissen und die intersubjektive Validierung von Interpretationen steht im Zentrum der gemeinsamen Arbeit in einer jeden QI. Sie sind ein Ort, an dem valide, kollegial geprüfte und neue Erkenntnisse entstehen können.
  • Im Kontext der VF, welche sich durch ein besonderes Maß an Interdisziplinarität und Komplexität auszeichnet, können innerhalb von QI die Standortgebundenheit von Einzelwissenschaftler*innen überwunden werden. Durch die dynamische und spontane Gruppentätigkeit sowie regelmäßige Aushandlungen u.a. von heterogenen disziplinären Lesarten wird eine Perspektivenreichhaltigkeit entfaltet und die Grenzen der eigenen Denkgewohnheiten überwunden.
  • Daneben werden innerhalb QI Methoden- und Analysekompetenzen ausgebildet sowie ein kollegialer, interdisziplinärer Austausch und Wissenschaftskultur gefördert.
  • Herausforderungen liegen u.a. in der Herstellung eines kontinuierlichen, vertrauenswürdigen Interaktionsraums, dem Erreichen geeigneter Gruppengrößen und der kritischen Reflektion potenziell bestehender hierarchischer Gefälle und Rollenverteilungen (z.B. strukturell, erfahrungsbezogen).

Diskussion & Implikation für die Forschung: Die Potentiale von QI werden derzeit im Rahmen der VF nicht gänzlich ausgeschöpft. Der Beitrag argumentiert daher für eine methodisch-methodologische Schärfung von QI in der VF und plädiert für deren systematische, institutionelle oder projektspezifische Implementierung resp. Verstetigung. Die Diskussion von und der Erfahrungsaustausch zu QI hat Einfluss auf den Status qualitativer Forschung in der VF. Sie schaffen Transparenz für den Erkenntnisprozess und vermitteln, wie qualitative Ergebnisse entstehen und validiert werden. Unseren Beitrag verstehen wir als Auftakt dafür.