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Grounded Theory – Diskrepanz zwischen konventionellem Forschungsprozess und Methodologie: Ein pragmatischer Integrationsansatz am Beispiel des Projektes MAM-Care
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Veröffentlicht: | 2. Oktober 2023 |
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Hintergrund und Stand der Forschung: Die Grounded Theory-Methodologie (GTM) sieht eine Theoriebildung aus den Daten heraus vor. Gemäß einer theoretischen Offenheit sollen alltagsweltliche Phänomene ohne systematische Literaturrecherche zu Beginn des Forschungsprozesses betrachtet werden. Entgegen dem konventionellen Forschungsprozess, werden keine theoretischen Vorannahmen gebildet. Im Fokus der GTM steht ein stetiger Wechsel zwischen Datenerhebung, -auswertung und Theorienbildung.
Fragestellung und Zielsetzung, Hypothese: Am Beispiel der Fragestellung, welche Faktoren die Wahrnehmung von Gebärenden hinsichtlich des Erlebens oder Nicht-Erlebens von geburtshilflicher Gewalt beeinflussen, wird eine Umsetzungsmöglichkeit der GTM im Rahmen des Projektes MAM-Care exploriert, die sowohl einen Begründungszusammenhang im Vorfeld der Datensammlung als auch eine offene Haltung während der Erhebung und Auswertung sichert.
Methode: Um der Diskrepanz zum apriorischen Vorgehen im Forschungsalltag pragmatisch zu begegnen, werden im Vorfeld der Interviewdurchführung keine Hypothesen formuliert, sondern ausgewählte theorie- sowie literaturbasierte Faktoren als „Aufmerksamkeitsrichtungen“ [1] im Kontext eines primär offenen Ansatzes identifiziert.
Ergebnisse: Als zu prüfende Faktoren in Hinblick auf eine Beeinflussung der Wahrnehmung von Gebärenden hinsichtlich des (Nicht-) Erlebens von geburtshilflicher Gewalt, werden die Komponenten der Wahrnehmungsentstehungsprozesse [2] zugrunde gelegt. Diese, sowie weitere literaturbasierte Faktoren zum Forschungsgegenstand, werden tabellarisch dokumentiert. Je nach Interview können, entsprechend der fokussierten Thematik und geschilderten Perspektive der Befragten, Faktoren aus der Tabelle variiert aufgegriffen und vertiefend hinterfragt werden.
Diskussion: Im Unterschied zu einem Leitfaden dienen die Aufmerksamkeitsrichtungen lediglich einer Sensibilisierung für den Forschungsgegenstand. Die verschiedenen Faktoren können den Erzählinhalten der Befragten zugeordnet, erprobt und neu durchdacht werden. Eine offene Herangehensweise im Sinne der GTM bleibt erhalten, sofern die Forschenden sich vor, während und nach jedem Interview reflektieren und die theoretischen Strukturen als methodische Einbettung in ein themenfokussiertes, narrativ orientiertes, Interview verstehen. Der partiell deduktive Ansatz darf lediglich eine Ergänzung zum induktiven Vorgehen der GTM darstellen.
Implikation für die Forschung: Auf Grundlage der beispielhaften methodischen Einbettung können projektübergreifende Optimierungsmöglichkeiten in Hinblick auf eine Anwendung der GTM abgeleitet werden, die mit bestehenden Forschungskonventionen vereinbar ist.
Förderung: BMBF-Strukturförderung Versorgungsforschung/Nachwuchs; 01GY2110
Literatur
- 1.
- Truschkat I, Kaiser-Belz M, Reinartz V. Grounded Theory Methodologie in Qualifikationsarbeiten: zwischen Programmatik und Forschungspraxis - am Beispiel des Theoretical Samplings. Historical Social Research Supplement. 2007;19:245.
- 2.
- Becker-Carus C, Wendt M. Allgemeine Psychologie. Eine Einführung. 2. Aufl. Berlin: Springer; 2017