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25. Jahrestagung des Netzwerks Evidenzbasierte Medizin e. V.

Netzwerk Evidenzbasierte Medizin e. V. (EbM-Netzwerk)

13. - 15.03.2024, Berlin

„Dass da keiner drüber nachdenkt, was ist denn, wenn? Da wird bis zur letzten Sekunde gewartet“ – Phänomene von Übergangsprozessen im Kontext von Pflegebedürftigkeit aus der Perspektive der Gesundheitsberufe: eine Grounded-Theory-Studie

Meeting Abstract

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  • Regina Thalhammer - Technische Hochschule Rosenheim, Zentrum für Forschung, Entwicklung und Transfer, Rosenheim, Deutschland
  • Katharina Lüftl - Technische Hochschule Rosenheim, Zentrum für Forschung, Entwicklung und Transfer, Rosenheim, Deutschland; Technische Hochschule Rosenheim, Fakultät für Angewandte Gesundheits- und Sozialwissenschaften, Rosenheim, Deutschland

Evidenzbasierte Politik und Gesundheitsversorgung – erreichbares Ziel oder Illusion?. 25. Jahrestagung des Netzwerks Evidenzbasierte Medizin. Berlin, 13.-15.03.2024. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2024. Doc24ebmPS1-01

doi: 10.3205/24ebm048, urn:nbn:de:0183-24ebm0480

Veröffentlicht: 12. März 2024

© 2024 Thalhammer et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund/Fragestellung: Der Übergang in oder die Zunahme von Pflegebedürftigkeit stellt eine kritische Umbruchsituation im Leben Betroffener und ihrer Zugehörigen dar [1]. Oft sind Vertreter:innen der Gesundheitsberufe in unterschiedlichen Settings beteiligt. Zu Übergangsprozessen im Kontext von Pflegebedürftigkeit liegen kaum wissenschaftliche Erkenntnisse vor. Deshalb war es Ziel dieser Studie, grundlegende Phänomene, Phasen und wiederkehrende Muster von Übergangsprozessen zu ermitteln.

Methoden: Es wurden vorhandene Daten teilnarrativer Interviews mit Personen aus der stationären Langzeitversorgung (n=5), ambulanten Pflege (n=3), dem akut Klinikum (n=2), sowie aus Beratungseinrichtungen (n=4) im Rahmen einer retrospektiven Datenanalyse mit dem dreistufigen Kodierverfahren der Grounded Theory Methodologie ausgewertet [2].

Ergebnisse: Es zeigt sich, dass Betroffene dazu neigen, eine Auseinandersetzung mit dem Thema Pflegebedürftigkeit von sich wegzuschieben (erste Phase), bis ihre Versorgungssituation instabil wird oder sogar zusammenbricht (zweite Phase). Selten wird dies z.B. durch frühzeitige Kommunikation innerhalb der Familie und proaktive Inanspruchnahme von Beratung verhindert (unterstützende Handlungsmuster). Versorgungssituationen müssen deshalb meist unter hohem Druck für alle Beteiligte arrangiert werden. Bedingt z.B. durch steigende Komplexität der Fälle und eskalierenden Ressourcenmangel im Gesundheitswesen wird dies wie das Hineinkommen in und die Passage durch einen zu dünnen Flaschenhals beschrieben. Die Befragten erleben, dass ihre professionellen Strategien zur Gestaltung von Übergangsprozessen nicht mehr greifen und es deshalb zu gravierenden Konsequenzen für Betroffene, Zugehörige und sie selbst kommt (dritte Phase). Ihr Handeln wird von ihnen als Windmühlenkampf beschrieben. Die Entwicklung zufriedenstellender Versorgungslösungen wird unter den bestehenden Voraussetzungen als kaum erreichbar dargestellt.

Schlussfolgerung: Es ist ein präventiver Ansatz nötig, bei dem die als unterstützend identifizierten Handlungsmuster der Betroffenen und ihrer Zugehörigen im Sinne der Patientenedukation frühzeitig gezielt gestärkt werden, um eine partizipative Vorbereitung auf Übergangsprozesse zu gewährleisten [3].

Künftige Forschungsarbeiten sollten die Konsequenzen von unvorbereiteten Übergangsprozessen für Gesundheitsberufe näher untersuchen und evidenzbasiert Interventionen zu deren Unterstützung entwickeln.

Eine Limitation ergibt sich daraus, dass kein theoretisches Sampling durchgeführt werden konnte.

Interessenkonflikte: Die Autorinnen erklären, dass sie keine Interessenkonflikte haben. Die Studie wird durch das Bayerische Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst gefördert. Die Sponsoren der Studie haben keinen Einfluss auf die Planung, Durchführung und Veröffentlichung der Ergebnisse.


Literatur

1.
Gröning, K. Pflege als familiale Entwicklungsaufgabe. In: Gröning K, Sander B, von Kamen R, Hrsg. Familiensensibles Entlassmanagement. Frankfurt am Main: Mabuse Verlag; 2015. S. 250-260
2.
Glaser, BG, Strauss, AL. The discovery of grounded theory: Strategies for qualitative research. Chicago: Aldine; 1967.
3.
Schieron, M. Grundlagen der Beratung. In: Schieron M, Büker C, Zegelin A, Hrsg. Patientenedukation und Familienedukation in der Pflege: Praxishandbuch zur Information, Schulung und Beratung. Bern: Hogrefe Verlag; 2021. S. 167-206