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25. Jahrestagung des Netzwerks Evidenzbasierte Medizin e. V.

Netzwerk Evidenzbasierte Medizin e. V. (EbM-Netzwerk)

13. - 15.03.2024, Berlin

Umgang mit systematischen Reviews mit „kritisch niedriger“ Qualität in S3-Leitlinien – Pilotierung eines ressourcenschonenden evidenzbasierten Ansatzes

Meeting Abstract

  • Isabell Vader - Charité – Universitätsmedizin Berlin, Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie. Division of Evidence Based Medicine, Berlin, Deutschland
  • Inga-Marie Hübner - Arbeitsgemeinschaft Dermatologische Prävention (ADP) e. V., Deutschland
  • Maria Kinberger - Charité – Universitätsmedizin Berlin, Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie. Division of Evidence Based Medicine, Berlin, Deutschland
  • Christoph Zeyen - Charité – Universitätsmedizin Berlin, Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie. Division of Evidence Based Medicine, Berlin, Deutschland
  • Eckhard Breitbart - Arbeitsgemeinschaft Dermatologische Prävention (ADP) e. V., Deutschland
  • Alexander Nast - Charité – Universitätsmedizin Berlin, Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie. Division of Evidence Based Medicine, Berlin, Deutschland

Evidenzbasierte Politik und Gesundheitsversorgung – erreichbares Ziel oder Illusion?. 25. Jahrestagung des Netzwerks Evidenzbasierte Medizin. Berlin, 13.-15.03.2024. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2024. Doc24ebmPS2-04

doi: 10.3205/24ebm059, urn:nbn:de:0183-24ebm0596

Veröffentlicht: 12. März 2024

© 2024 Vader et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund/Fragestellung: Bei dem Versuch S3-Leitlinien auf Basis vorhandener systematischer Reviews (SR) zu erstellen, finden sich häufig SR mit „kritisch niedriger“ Qualität in der AMSTAR-2-Bewertung [1]. Für die Aktualisierung der S3-Leitlinie ‚Prävention von Hautkrebs‘ wurde geprüft, ob solche SR durch gezielte Nachbesserungen dennoch verwendbar sind.

Methoden: Nutzen und Schaden der Anwendung von Sonnenschutzmitteln wurden im April 2023 in einer systematischen Recherche nach SR in 3 Datenbanken evaluiert. Screening und AMSTAR-2-Bewertungen erfolgten zu zweit und unabhängig.

Ergebnisse: Für den Zeitraum von April 2023 bis einschließlich 2013 wurden 763 Publikationen identifiziert. Die Bewertungen von 15 SR resultierten in „hoch“ (1/15), „niedrig“ (4/15) oder „kritisch niedrig“ (10/15). Das Ende der Suchzeiträume der mit „hoch“ und „niedrig“ bewerteten SR lag häufig weit zurück (2012–2018). Daher wurde die Erfüllung der AMSTAR-2-Domänen der mit „kritisch niedrig“ bewerteten SR evaluiert: Abbildung der PICO-Frage (10/10), Recherche in ≥2 Datenbanken mit Angabe von Suchzeitraum und –begriffen (9/10), Registrierung eines Protokolls (0/10), Bericht der im Volltextscreening ausgeschlossenen Studien (0/10), unabhängiger Selektionsprozess (4/10), Bewertung des Risikos für Verzerrung (2/10).

Als Voraussetzungen für die Nachbearbeitung behebbarer Mängel wurden die Abbildung der PICO-Frage, die systematische Recherche und der transparente Screeningprozess definiert. Die untersuchten Endpunkte mussten zudem von der Leitliniengruppe als klinisch relevant eingeschätzt werden. Diese Kriterien trafen für einen SR zu, dessen eingeschlossene Primärstudien mit den Instrumenten RoB 2.0 [2] bzw. ROBINS-I [3] unabhängig durch 2 Methodiker nachbewertet wurden.

Durch die Nachbewertung konnte Evidenz für 7 statt für 3 Endpunkte in die Synthese einbezogen werden. Der Verzicht auf eine De-novo-Recherche mit erwartbaren 2.000 Treffern erbrachte eine geschätzte Zeitersparnis eines halben Personenmonats.

Schlussfolgerung: Die Gesamtbewertung „kritisch niedrig“ im AMSTAR-2-Instrument 1 ist schnell erreicht. Gleichzeitig bildet sie ein breites Kontinuum mit heterogenen, teilweise behebbaren Mängeln ab. Um den S3-Standard aufrecht zu erhalten, sollen als „kritisch niedrig“ bewertete SR nicht unreflektiert eingeschlossen werden. Wir schlagen vor, vor einer De-novo-Recherche solche SR, die einen zufriedenstellenden Recherche- und Screeningprozess vollzogen haben, auf behebbare Mängel zu prüfen und diese mit den Methoden der evidenzbasierten Medizin zu beheben.

Interessenkonflikte: Die S3-Leitlinie ‚Prävention von Hautkrebs‘ wurde von der Deutschen Krebshilfe im Rahmen des Leitlinienprogramms Onkologie gefördert.


Literatur

1.
Shea BJ, Reeves BC, Wells G, et al. AMSTAR 2: a critical appraisal tool for systematic reviews that include randomised or non-randomised studies of healthcare interventions, or both. Bmj. Sep 21 2017;358:j4008. DOI: 10.1136/bmj.j4008 Externer Link
2.
Sterne JAC, Savović J, Page MJ, et al. RoB 2: a revised tool for assessing risk of bias in randomised trials. Bmj. Aug 28 2019;366:l4898. DOI:10.1136/bmj.l4898 Externer Link
3.
Sterne JA, Hernán MA, Reeves BC, et al. ROBINS-I: a tool for assessing risk of bias in non-randomised studies of interventions. Bmj. Oct 12 2016;355:i4919. DOI: 10.1136/bmj.i4919 Externer Link