Artikel
Registerdaten zur Ermittlung von Leitlinienadhärenz – Analyse der Umsetzung von A-Empfehlungen der S3-Leitlinie Polytrauma/Schwerverletztenversorgung im TraumaRegister DGU®
Suche in Medline nach
Autoren
Veröffentlicht: | 12. März 2024 |
---|
Gliederung
Text
Hintergrund/Fragestellung: Die Leitlinienadhärenz beschreibt den Grad der Konformität zwischen Leitlinienempfehlungen und ihrer praktischen Umsetzung in der Versorgung [1]. Registerdaten bieten eine Möglichkeit, die Adhärenz zu quantifizieren [2]. Die S3-Leitlinie Polytrauma/Schwerverletztenversorgung (LL-Polytrauma) gibt Empfehlungen zur Notfallversorgung von Schwerverletzten. Die tatsächliche Versorgung Schwerverletzter wird im TraumaRegister DGU® (TR-DGU) prospektiv dokumentiert. Ziel der vorliegenden Studie war es, Adhärenz zur LL-Polytrauma (Version 2016) im TR-DGU zu analysieren.
Methoden: Die Population bestand aus Erwachsenen (Alter ≥16 Jahre) mit Schwerverletzung (injury severity score ≥16), die primär in ein deutsches Traumazentrum aufgenommen wurden und für die Daten aus dem TR-DGU vorlagen (Zeitraum 2011–2022; N=141.073). Neun A-Empfehlungen ließen sich über die Daten des TR-DGU abbilden. Für diese wurde jeweils deskriptiv analysiert, welcher Anteil der von der Empfehlung betroffenen Personen die empfohlene Intervention erhalten hat (n/N,%; insgesamt und pro Jahr). Variablen, die mit einer nicht-Adhärenz zusammenhängen, wurden sowohl explorativ im TR-DGU als auch in Diskussion mit klinischen Experten gesucht.
Ergebnisse: Die Adhärenz zur LL-Polytrauma variierte je nach Empfehlung. Hohe Adhärenzraten gab es u.a. bei der prähospitalen endotrachealen Intubation von Patienten mit Apnoe/Schnappatmung (n/N=2.994/3.253, 92,0%; Reduktion von 98,2% in 2011 auf 85,1% in 2022), sowie bei der Nichtverwendung von Humanalbumin zur prähospitalen Volumentherapie (n/N=103.261/113.532, 91,0%; Anstieg von 68,8% in 2011 auf 97,2% in 2022). Niedrige Adhärenzraten wurden u.a. beobachtet bei der prähospitalen Entlastung eines Spannungspneumothorax (n/N=115/246, 46,7%) oder der prähospitalen Gabe von Tranexamsäure bei massiven Blutungen (n/N=2.168/6.705, 32,3%; Anstieg von 7,9% in 2015 auf 41,6% in 2022). Potenzielle Variablen, die mit den Adhärenzraten zusammenhängen, werden diskutiert.
Schlussfolgerung: Die Schwerverletztenversorgung in Deutschland wird für einige Fragestellungen gut durch das TR-DGU abgebildet. Keine der A-Empfehlungen erreichte eine 100%ige Adhärenz. Einige Abweichungen resultieren aus Unschärfen in den erfassten Registerdaten und könnten durch eine verbesserte Dokumentation im Register aufgehoben werden. Tatsächliche Abweichungen können klinisch berechtigt sein [3] oder Hinweise darauf liefern, an welcher Stelle die Leitlinie weiterentwickelt oder ihre Implementierung verbessert werden kann.
Interessenkonflikte: keine
Literatur
- 1.
- Hasenbein U, Wallesch CW. Was ist Leitlinienkonformität? Theoretische und methodische & Überlegungen zu einem aktuellen Konzept der Versorgungsforschung und Qualitätssicherung. Gesundheitswesen. 2007;69(8-9):427-37.
- 2.
- Stattin P. How to survey adherence to guidelines by use of clinical cancer registers. Scand J Urol. 2022;56(4):285-6.
- 3.
- Nothacker MJ. Leitlinienadhärenz - je mehr desto besser?. Urologe A. 2016;55(9):1199-205.