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Gewalterfahrungen von Kindern und Jugendlichen in Deutschland - Ergebnisse aus dem Kinder- und Jugendgesundheitssurvey (KiGGS)
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Veröffentlicht: | 6. September 2007 |
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Hintergrund: Auch jenseits von besonders drastischen, öffentlichkeits- und medienwirksamen Gewaltereignissen wie die Amokläufe an Schulen in Erfurt oder Emsdetten oder die Ereignisse an der Rütli-Hauptschule in Berlin-Neukölln ist ein nicht geringer Teil der Kinder und Jugendlichen von Gewalterfahrungen im Alltag betroffen. Gewalterfahrungen in der Kindheit und Jugend sind mit potenziell schwerwiegenden und langfristigen Konsequenzen für die physische Gesundheit und das psychische Wohlbefinden verbunden. Gewalt können Kinder und Jugendliche als Täter, Opfer oder sog. Täter/Opfer erfahren.
Methoden: Im Rahmen des Kinder- und Jugendgesundheitssurveys (KiGGS) beantworteten 3.382 Jungen und 3.237 Mädchen im Selbstbericht Fragen zur 12-Monats-Prävalenz von Gewalterlebnissen, unterteilt nach Täter- und Opfer-Erfahrung. Außerdem wurden Einstellungen zu instrumenteller (zielorientierter) und expressiver (spontan-situativer) Gewaltbereitschaft erfragt.
Ergebnisse: Insgesamt 82,5% der Mädchen (M) und 67,2% der Jungen (J) waren in den letzten 12 Monaten nie an einer Gewalthandlung beteiligt. 19,6% (J) und 9,9% (M) waren Täter, 5,2% (J) und 3,9% (M) Opfer und 7,6% (J) respektive 3,6% (M) Täter/Opfer von Gewalthandlungen. Mit 81,0% nie an Gewalthandlungen Beteiligten ist die Gewaltbelastung der Befragten mit hohem sozioökonomischem Status am geringsten gegenüber denen mit mittlerem (76,4%) und niedrigem (68,3%) Sozialstatus. Haupt- und Gesamtschüler sowie Jugendliche mit Migrationshintergrund sind häufiger als Täter von Gewaltereignissen betroffen und haben permissivere Einstellungen zur Gewalt als Gymnasiasten, Realschüler und Nicht-Migranten.
Diskussion: Jungen sind sowohl als Täter als auch als Opfer häufiger von Gewalt betroffen. Soziale Benachteiligung und Migrationshintergrund gehen mit einer erhöhten Gewaltbelastung und Gewaltbereitschaft einher. Schon die unterschiedlichen Schultypen differenzieren sozial stark. Interventionsprogramme zur Reduzierung von Bullying und Schulgewalt haben sich bereits als wirkungsvoll erwiesen. Auch die Verbesserung von sozialen Rahmenbedingungen könnte präventiv wirken.
Methodische Limitation: Die KiGGS-Daten müssen mit Vorsicht interpretiert werden, da nicht zwischen unterschiedlichen Gewaltformen (z. B. familiärer Gewalt, Bullying, Schulgewalt) unterschieden werden kann. Ihre Bedeutung besitzen sie aber für die Identifikation von Risikogruppen.