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„Preaching to the Converted" – soziale Ungleichheit durch Über- und Unterversorgung am Beispiel Rückenschmerz
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Veröffentlicht: | 6. September 2007 |
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Gliederung
Text
Hintergrund: Hierzulande sind 15% aller Arbeitsunfähigkeitstage und 18% aller Frühberentungen auf Rückenerkrankungen zurückzuführen. Besonders betroffen sind statusniedrige Bevölkerungsgruppen.
Fragestellung und Ziel der Studie:
- 1.
- Warum ist das komplexe Beschwerdebild „Rückenschmerz“ sozial ungleich verteilt? Es soll ein allgemeines theoretisches Modell zur multifaktoriellen Genese gesundheitlicher Ungleichheit eingeführt und auf das Beispiel „Rückenschmerz“ angewandt werden.
- 2.
- Hierzulande stellen Rückenschulen die am weitesten verbreitete Präventionsmaßnahme für Rückenschmerz dar. Eine adäquate Versorgung sollte zu einer Reduktion rückenschmerzspezifischer Ungleichheit beitragen. Gelingt dies?
Daten und Methoden: Die vorgestellte Versorgungsstudie ist Teil eines interdisziplinären Drittmittelprojektes, welches an der Orthopädischen Universitätsklinik Heidelberg (in Kooperation mit dem Deutschen Krebsforschungszentrum DKFZ) durchgeführt wurde.
Ergebnisse: Jeder dritte Befragte litt innerhalb der letzten Woche an Rückenschmerz, die Ein-Jahres-Prävalenz betrug 60%. Insbesondere zeigte sich ein deutlicher Schichtgradient. Dabei spielt insbesondere die suboptimale und risikoinadäquate Nutzung von Rückenschulkursen eine bedeutende Rolle bei der Erklärung des rückenschmerzspezifischen Schichtgradienten.
Diskussion: Unsere Daten belegen ein von uns als „Preaching to the Converted“ bezeichnetes Phänomen, wonach Präventionsangebote gerade von denjenigen Bevölkerungsgruppen mit dem geringsten Erkrankungsrisiko genutzt werden. Im Fall der Rückenschulen sind dies die privat versicherten, oberen Statusgruppen mittleren Alters mit ohnehin aktivem und gesundem Lebensstil. Diesen Überversorgten stehen die unterversorgten Hochrisikopatienten gegenüber, welche sich unter anderem aufgrund psychischer Barrieren und sozialer Schließungsprozesse nicht zur Teilnahme an solchen Angeboten motivieren lassen. Abschließend zeigt ein Ausblick, dass sich das Phänomen des „Preaching to the Converted“ auch für andere Präventionsfelder belegen lässt.
Fazit: In der volkswirtschaftlich immer bedeutsamer werdenden Schmerzprävention zementieren die aktuellen Versorgungsstrukturen koinzidente Unter- und Überversorgung. Dies führt nicht nur zu einer Ressourcenverschwendung, sondern auch zu einer weiteren Aufspreizung sozialer Ungleichheit.