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Von der „Ärzteschwemme“ zum „Bettenberg“ – organisierte Ärzteschaft und ärztlicher Nachwuchs unter dem Zeichen der Kostenexplosion
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Veröffentlicht: | 6. September 2007 |
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1952 hatte der Marburger Bund als Interessenvertreter der Krankenhausärzte eine Verfassungsklage eingereicht. Das Verfassungsgericht entschied 1960 zugunsten des Rechts auf freie Berufsausübung und damit zugunsten der ärztlichen Niederlassungsfreiheit.
Der drohenden ärztlichen Konkurrenz als Folge der freien Niederlassung setzte der Deutsche Ärztetag bereits 1962 eine Resolution entgegen, in der er alle verantwortungsbewussten Kräfte aufforderte, „an der Beseitigung der augenblicklichen Fehlentwicklung mitzuwirken. Er warnt vor einer weiteren Propaganda des Medizinstudiums, die rasch zu einem Ärzteproletariat führen kann.“
Diese Befürchtungen bestimmten in den nachfolgenden Jahrzehnten über weite Strecken die Position der organisierten Ärzteschaft gegenüber dem ärztlichen Nachwuchs. Doch auch der Handlungsspielraum der ärztlichen Organisationen des Gesundheitssystems unterlag unter den Bedingungen der Kostenexplosion zunehmenden Reglementierungen und Eingriffen von staatlicher Seite. Nach rasanten Fortschritten in der Medizin und großzügigem Ausbau medizinischer Kapazitäten in der Nachkriegszeit unter den Bedingungen der Vollbeschäftigung und der von politischer Seite propagierten „Mobilisierung von Bildungsreserven“ angesichts geburtenstarker Jahrgänge zeigte sich eine in den 70er Jahren aus verschiedenen Gründen zunehmende Unterfinanzierung der gesetzlichen Krankenkassen.
Die vielseitigen Interessenverstrickungen durch das korporativ organisierte Gesundheitssystem führten letztlich zu einer Reform-Blockierung auf nahezu allen Ebenen des Gesundheitssystems.
Die provokativen Schlagworte „Ärzteschwemme“ und „Bettenberg“ kennzeichnen einige Kulminationspunkte der Diskussion um die Reform des Gesundheitssystems, die anhand der gegensätzlichen Quellen „Dr. med. Mabuse – Zeitschrift für alle Gesundheitsberufe“ und den Protokollen der Deutschen Ärztetage dargestellt werden soll. Am Beispiel der Diskussion um die Ausbildung zukünftiger Ärzte, die 1988 in die Einführung des „Arztes/Ärztin im Praktikum“ mündete, soll aufgezeigt werden, welche Positionen jeweils eingenommen wurden, wie diesen Nachdruck verliehen werden sollte oder konnte, wo es Übereinstimmungen gab und welche Positionen letztlich, als Dokumentation der tatsächlichen Machtverhältnisse, Eingang in gesetzliche Regelungen fanden.