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Fehlklassifikation bei Selbstangaben zur Einschreibung in Disease Management Programme: Häudfigkeit, Determinanten und Konsequenzen für die Evaluation
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Veröffentlicht: | 10. September 2008 |
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Einleitung und Fragestellung
Mit der Einführung der Disease Management Programme (DMPs) in Deutschland war von Anfang an die Frage ihrer Evaluierbarkeit verknüpft. Die Möglichkeiten für einen Vergleich von Teilnehmern und Nicht-Teilnehmern an DMPs sind jedoch eingeschränkt und es liegen bislang nur wenige Ergebnisse hierzu vor. Da randomisierte Studien praktisch nicht durchführbar sind, ist man auf Beobachtungsstudien angewiesen, bei denen die Zuordnung zur Vergleichsgruppe (DMP ja vs. nein) ggf. anhand von Selbstangaben der Patienten ermittelt wird. Zur Validität dieser Selbstangaben gibt es kaum Vorwissen, auf Grund von Erfahrungen aus anderen Bereichen muss jedoch mit einem nennenswerten Klassifikationsfehler gerechnet werden. Ziel dieses Beitrags ist es, die Häufigkeit der Fehlklassifikation bei Selbstangaben zur Einschreibung in DMPs zu schätzen, Determinanten und mögliche Ursachen zu ermitteln sowie ihren Einfluss auf Analysen zu Selektionsfaktoren und Prozessqualität von DMPs zu untersuchen.
Material und Methoden
In einer schriftlichen Befragung von Patienten aus dem KORA/MONICA Herzinfarktregister Augsburg (Responserate 66%) wurde die Teilnahme am DMP „Koronare Herzkrankheit“ (DMP-KHK) sowie der Zeitpunkt der Einschreibung aus Selbstangaben ermittelt. Weitere erhobene Daten bezogen sich auf soziodemographische Angaben, ärztliche Versorgung (Medikation, Beratung) sowie auf die gesundheitsbezogene Lebensqualität (EQ5D), Übergewicht (BMI) und Rauchen. Bei allen gesetzlich krankenversicherten Patienten, die gemäß Selbstangabe ins DMP-KHK eingeschrieben waren sowie bei ca. einem Drittel der übrigen Patienten wurde der behandelnde Hausarzt um eine Validierung der Angaben zur DMP-Einschreibung gebeten. Da die Ärztebefragung erst Monate nach der Patientenbefragung stattfand, wurde der Einschreibungszeitpunkt bei der Definition der Fehlklassifikation mit berücksichtigt.
Das Ausmaß an Fehlklassifikation wurde mittels Sensitivität und Spezifität beschrieben. Der statistische Vergleich von Teilnehmern und Nicht-Teilnehmern am DMP-KHK erfolgte anhand multipler logistischer und linearer Regressionsmodelle. Die Schätzer der Modellparameter wurden für Modelle mit Selbstangabe bzw. vom Arzt validierter Angabe verglichen.
Ergebnisse
Zum Zeitpunkt der Befragung (Spätsommer 2006) gaben 27% der Patienten an, am DMP-KHK teilzunehmen. In über 70% der Fälle war der Hausarzt bereit, einen Kurzfragebogen mit Angaben zur DMP-Einschreibung zu beantworten. Bezüglich der Validität der Selbstangaben ergaben sich eine Sensitivität von 83% und eine Spezifität von 71%. Besonders häufig kamen falsch-positive Angaben zum DMP-KHK bei Diabetikern vor, was eine mangelnde Differenzierung bzgl. der verschiedenen DMPs nahe legt.
Unterschiede zwischen Teilnehmern und Nicht-Teilnehmern am DMP-KHK bzgl. Selektionsfaktoren und Prozessqualität, die in einer Auswertung anhand der Selbstangaben identifiziert werden konnten, blieben bei Verwendung der validierten Angaben meist statistisch signifikant nachweisbar. Beim Vergleich der Schätzer zeigten sich jedoch nicht, wie ursprünglich erwartet, deutlichere Effekte.
Diskussion
Selbstangaben von Patienten bei Befragungen im Rahmen epidemiologischer Studien unterliegen in der Regel einem Missklassifikationsfehler. Die in dieser Studie ermittelte Fehlklassifikationsrate bzgl. der Einschreibung in DMP-KHK liegt dabei im üblichen Rahmen. Da es sich nicht um einen rein zufälligen Klassifikationsfehler handelt, lässt sich der Einfluss auf die Ergebnisse einer DMP-Evaluation nicht grundsätzlich vorhersagen. In der vorliegenden Studie führte die Auswertung der Selbstangaben zu einer Überschätzung von Effekten, ohne jedoch die Richtung der Unterschiede zu beeinflussen. Für ähnliche Studien wird eine Validierung der Selbstangaben zur DMP-Teilnahme, zumindest in einer Teilstichprobe, empfohlen.